Nun ist der Begrif von einem Dinge als Natur- zwecke ein Begrif der die Natur unter eine Caussalität, die nur durch Vernunft denkbar ist subsumirt, um nach diesem Princip über das, was vom Objecte in der Er- fahrung gegeben ist, zu urtheilen. Um ihn aber dogma- tisch für die bestimmende Urtheilskraft zu gebrauchen, mußten wir der objectiven Realität dieses Begrifs zuvor versichert seyn, weil wir sonst kein Naturding unter ihm subsumiren könnten. Der Begrif eines Dinges als Naturzwecks ist aber zwar ein empirisch bedingter, d. i. nur unter gewissen in der Erfahrung gegebenen Bedin- gungen möglicher, aber doch von derselben nicht zu ab- strahirender, sondern nur nach einem Vernunftprincip in der Beurtheilung des Gegenstandes möglicher Be- grif. Er kann also als ein solches Princip seiner objec- tiven Realität nach, (d. i. daß ihm gemäs ein Object möglich sey) gar nicht eingesehen und dogmatisch begrün- det werden und wir wissen nicht ob er nicht blos ein ver- nünftelnder und objectiv leerer (conceptus ratiocinans) oder ein Vernunftbegrif, ein Erkenntnis gründender, von der Vernunft bestätigter (conceptus ratiocinatus) sey. Also kann er nicht dogmatisch für die bestimmende Urtheilskraft behandelt werden, d. i. es kann nicht allein nicht ausgemacht werden, ob Dinge der Natur als Na- turzwecke betrachtet, für ihre Erzeugung eine Caussalität von ganz besonderer Art (die nach Absichten) erfordern, oder nicht, sondern es kann auch nicht einmal gefragt
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
Nun iſt der Begrif von einem Dinge als Natur- zwecke ein Begrif der die Natur unter eine Cauſſalitaͤt, die nur durch Vernunft denkbar iſt ſubſumirt, um nach dieſem Princip uͤber das, was vom Objecte in der Er- fahrung gegeben iſt, zu urtheilen. Um ihn aber dogma- tiſch fuͤr die beſtimmende Urtheilskraft zu gebrauchen, mußten wir der objectiven Realitaͤt dieſes Begrifs zuvor verſichert ſeyn, weil wir ſonſt kein Naturding unter ihm ſubſumiren koͤnnten. Der Begrif eines Dinges als Naturzwecks iſt aber zwar ein empiriſch bedingter, d. i. nur unter gewiſſen in der Erfahrung gegebenen Bedin- gungen moͤglicher, aber doch von derſelben nicht zu ab- ſtrahirender, ſondern nur nach einem Vernunftprincip in der Beurtheilung des Gegenſtandes moͤglicher Be- grif. Er kann alſo als ein ſolches Princip ſeiner objec- tiven Realitaͤt nach, (d. i. daß ihm gemaͤs ein Object moͤglich ſey) gar nicht eingeſehen und dogmatiſch begruͤn- det werden und wir wiſſen nicht ob er nicht blos ein ver- nuͤnftelnder und objectiv leerer (conceptus ratiocinans) oder ein Vernunftbegrif, ein Erkenntnis gruͤndender, von der Vernunft beſtaͤtigter (conceptus ratiocinatus) ſey. Alſo kann er nicht dogmatiſch fuͤr die beſtimmende Urtheilskraft behandelt werden, d. i. es kann nicht allein nicht ausgemacht werden, ob Dinge der Natur als Na- turzwecke betrachtet, fuͤr ihre Erzeugung eine Cauſſalitaͤt von ganz beſonderer Art (die nach Abſichten) erfordern, oder nicht, ſondern es kann auch nicht einmal gefragt
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II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
Nun iſt der Begrif von einem Dinge als Natur-
zwecke ein Begrif der die Natur unter eine Cauſſalitaͤt,
die nur durch Vernunft denkbar iſt ſubſumirt, um nach
dieſem Princip uͤber das, was vom Objecte in der Er-
fahrung gegeben iſt, zu urtheilen. Um ihn aber dogma-
tiſch fuͤr die beſtimmende Urtheilskraft zu gebrauchen,
mußten wir der objectiven Realitaͤt dieſes Begrifs zuvor
verſichert ſeyn, weil wir ſonſt kein Naturding unter ihm
ſubſumiren koͤnnten. Der Begrif eines Dinges als
Naturzwecks iſt aber zwar ein empiriſch bedingter, d. i.
nur unter gewiſſen in der Erfahrung gegebenen Bedin-
gungen moͤglicher, aber doch von derſelben nicht zu ab-
ſtrahirender, ſondern nur nach einem Vernunftprincip
in der Beurtheilung des Gegenſtandes moͤglicher Be-
grif. Er kann alſo als ein ſolches Princip ſeiner objec-
tiven Realitaͤt nach, (d. i. daß ihm gemaͤs ein Object
moͤglich ſey) gar nicht eingeſehen und dogmatiſch begruͤn-
det werden und wir wiſſen nicht ob er nicht blos ein ver-
nuͤnftelnder und objectiv leerer (conceptus ratiocinans)
oder ein Vernunftbegrif, ein Erkenntnis gruͤndender,
von der Vernunft beſtaͤtigter (conceptus ratiocinatus)
ſey. Alſo kann er nicht dogmatiſch fuͤr die beſtimmende
Urtheilskraft behandelt werden, d. i. es kann nicht allein
nicht ausgemacht werden, ob Dinge der Natur als Na-
turzwecke betrachtet, fuͤr ihre Erzeugung eine Cauſſalitaͤt
von ganz beſonderer Art (die nach Abſichten) erfordern,
oder nicht, ſondern es kann auch nicht einmal gefragt
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/390>, abgerufen am 05.12.2024.
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