satz für die bestimmende, das zweyte ein subjectiver Grundsatz blos für die reflectirende Urtheilskraft, mit- hin eine Maxime derselben, die ihr die Vernunft auferlegt.
Wir haben nämlich unentbehrlich nöthig der Na- tur den Begrif einer Absicht unterzulegen, wenn wir ihr auch nur in ihren organisirten Producten durch fortgesetzte Beobachtung nachforschen wollen und die- ser Begrif ist also schon für den Erfahrungsgebrauch unserer Vernunft eine schlechterdings nothwendige Maxime. Es ist offenbar: daß, da einmal ein solcher Leitfaden die Natur zu studiren aufgenommen und bewährt gefunden ist, wir die gedachte Maxime der Urtheilskraft auch am Ganzen der Natur wenigstens versuchen müssen weil sich nach derselben noch manche Gesetze derselben dürften auffinden lassen, die uns, nach der Beschränkung unserer Einsichten in das Jn- nere des Mechanisms derselben, sonst verborgen blei- ben würden. Aber in Ansehung des letztern Ge- brauchs ist jene Maxime der Urtheilskraft zwar nütz- lich, aber nicht unentbehrlich, weil uns die Natur im Ganzen als organisirt (in der oben angeführten eng- sten Bedeutung des Worts) nicht gegeben ist; dage- gen in Ansehung der Producte derselben, welche nur als absichtlich so und nicht anders geformt müssen beurtheilt werden, um auch nur eine Erfahrungser- kenntnis ihrer innern Beschaffenheit zu bekommen, ist
II. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
ſatz fuͤr die beſtimmende, das zweyte ein ſubjectiver Grundſatz blos fuͤr die reflectirende Urtheilskraft, mit- hin eine Maxime derſelben, die ihr die Vernunft auferlegt.
Wir haben naͤmlich unentbehrlich noͤthig der Na- tur den Begrif einer Abſicht unterzulegen, wenn wir ihr auch nur in ihren organiſirten Producten durch fortgeſetzte Beobachtung nachforſchen wollen und die- ſer Begrif iſt alſo ſchon fuͤr den Erfahrungsgebrauch unſerer Vernunft eine ſchlechterdings nothwendige Maxime. Es iſt offenbar: daß, da einmal ein ſolcher Leitfaden die Natur zu ſtudiren aufgenommen und bewaͤhrt gefunden iſt, wir die gedachte Maxime der Urtheilskraft auch am Ganzen der Natur wenigſtens verſuchen muͤſſen weil ſich nach derſelben noch manche Geſetze derſelben duͤrften auffinden laſſen, die uns, nach der Beſchraͤnkung unſerer Einſichten in das Jn- nere des Mechanisms derſelben, ſonſt verborgen blei- ben wuͤrden. Aber in Anſehung des letztern Ge- brauchs iſt jene Maxime der Urtheilskraft zwar nuͤtz- lich, aber nicht unentbehrlich, weil uns die Natur im Ganzen als organiſirt (in der oben angefuͤhrten eng- ſten Bedeutung des Worts) nicht gegeben iſt; dage- gen in Anſehung der Producte derſelben, welche nur als abſichtlich ſo und nicht anders geformt muͤſſen beurtheilt werden, um auch nur eine Erfahrungser- kenntnis ihrer innern Beſchaffenheit zu bekommen, iſt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0394"n="330"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.</fw><lb/>ſatz fuͤr die beſtimmende, das zweyte ein ſubjectiver<lb/>
Grundſatz blos fuͤr die reflectirende Urtheilskraft, mit-<lb/>
hin eine Maxime derſelben, die ihr die Vernunft<lb/>
auferlegt.</p><lb/><p>Wir haben naͤmlich unentbehrlich noͤthig der Na-<lb/>
tur den Begrif einer Abſicht unterzulegen, wenn wir<lb/>
ihr auch nur in ihren organiſirten Producten durch<lb/>
fortgeſetzte Beobachtung nachforſchen wollen und die-<lb/>ſer Begrif iſt alſo ſchon fuͤr den Erfahrungsgebrauch<lb/>
unſerer Vernunft eine ſchlechterdings nothwendige<lb/>
Maxime. Es iſt offenbar: daß, da einmal ein ſolcher<lb/>
Leitfaden die Natur zu ſtudiren aufgenommen und<lb/>
bewaͤhrt gefunden iſt, wir die gedachte Maxime der<lb/>
Urtheilskraft auch am Ganzen der Natur wenigſtens<lb/>
verſuchen muͤſſen weil ſich nach derſelben noch manche<lb/>
Geſetze derſelben duͤrften auffinden laſſen, die uns,<lb/>
nach der Beſchraͤnkung unſerer Einſichten in das Jn-<lb/>
nere des Mechanisms derſelben, ſonſt verborgen blei-<lb/>
ben wuͤrden. Aber in Anſehung des letztern Ge-<lb/>
brauchs iſt jene Maxime der Urtheilskraft zwar nuͤtz-<lb/>
lich, aber nicht unentbehrlich, weil uns die Natur im<lb/>
Ganzen als organiſirt (in der oben angefuͤhrten eng-<lb/>ſten Bedeutung des Worts) nicht gegeben iſt; dage-<lb/>
gen in Anſehung der Producte derſelben, welche nur<lb/>
als abſichtlich ſo und nicht anders geformt muͤſſen<lb/>
beurtheilt werden, um auch nur eine Erfahrungser-<lb/>
kenntnis ihrer innern Beſchaffenheit zu bekommen, iſt<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[330/0394]
II. Th. Critik der aͤſthetiſchen Urtheilskraft.
ſatz fuͤr die beſtimmende, das zweyte ein ſubjectiver
Grundſatz blos fuͤr die reflectirende Urtheilskraft, mit-
hin eine Maxime derſelben, die ihr die Vernunft
auferlegt.
Wir haben naͤmlich unentbehrlich noͤthig der Na-
tur den Begrif einer Abſicht unterzulegen, wenn wir
ihr auch nur in ihren organiſirten Producten durch
fortgeſetzte Beobachtung nachforſchen wollen und die-
ſer Begrif iſt alſo ſchon fuͤr den Erfahrungsgebrauch
unſerer Vernunft eine ſchlechterdings nothwendige
Maxime. Es iſt offenbar: daß, da einmal ein ſolcher
Leitfaden die Natur zu ſtudiren aufgenommen und
bewaͤhrt gefunden iſt, wir die gedachte Maxime der
Urtheilskraft auch am Ganzen der Natur wenigſtens
verſuchen muͤſſen weil ſich nach derſelben noch manche
Geſetze derſelben duͤrften auffinden laſſen, die uns,
nach der Beſchraͤnkung unſerer Einſichten in das Jn-
nere des Mechanisms derſelben, ſonſt verborgen blei-
ben wuͤrden. Aber in Anſehung des letztern Ge-
brauchs iſt jene Maxime der Urtheilskraft zwar nuͤtz-
lich, aber nicht unentbehrlich, weil uns die Natur im
Ganzen als organiſirt (in der oben angefuͤhrten eng-
ſten Bedeutung des Worts) nicht gegeben iſt; dage-
gen in Anſehung der Producte derſelben, welche nur
als abſichtlich ſo und nicht anders geformt muͤſſen
beurtheilt werden, um auch nur eine Erfahrungser-
kenntnis ihrer innern Beſchaffenheit zu bekommen, iſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/394>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.