jene Maxime der reflectirenden Urtheilskraft wesentlich nothwendig: weil selbst der Gedanke von ihnen, als organisirten Dingen, ohne die einer Erzeugung mit Ab- sicht damit zu verbinden, unmöglich ist.
Nun ist der Begrif eines Dinges, dessen Existenz oder Form wir uns unter der Bedingung eines Zwecks möglich zu seyn vorstellen, mit dem Begriffe einer Zu- fälligkeit desselben (nach Naturgesetzen) unzertrennlich verbunden. Daher machen auch die Naturdinge, welche wir nur als Zwecke möglich finden, den vornehmsten Beweis für die Zufälligkeit des Weltganzen aus, und sind der einzige für den gemeinen Verstand eben sowohl als den Philosophen geltende Beweisgrund der Abhän- gigkeit und Ursprungs desselben von einem außer der Welt existirenden und zwar (um jener zweckmäßigen Form willen) verständigen Wesen, und die Teleologie findet keine Vollendung des Aufschlusses für ihre Nachforschun- gen als in einer Theologie.
Was beweiset nun aber am Ende auch die aller voll- ständigste Teleologie? Beweiset sie etwa daß ein solches verständiges Wesen da sey? Nein; nicht weiter als daß wir nach der Beschaffenheit unserer Erkenntnisvermögen, also in Verbindung der Erfahrung mit den obersten Principien der Vernunft, uns schlechterdings keinen Be- grif von der Möglichkeit einer solchen Welt machen kön- nen, als so, daß wir uns eine absichtlich-wirkende oberste Ursache derselben denken. Objectiv können wir
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
jene Maxime der reflectirenden Urtheilskraft weſentlich nothwendig: weil ſelbſt der Gedanke von ihnen, als organiſirten Dingen, ohne die einer Erzeugung mit Ab- ſicht damit zu verbinden, unmoͤglich iſt.
Nun iſt der Begrif eines Dinges, deſſen Exiſtenz oder Form wir uns unter der Bedingung eines Zwecks moͤglich zu ſeyn vorſtellen, mit dem Begriffe einer Zu- faͤlligkeit deſſelben (nach Naturgeſetzen) unzertrennlich verbunden. Daher machen auch die Naturdinge, welche wir nur als Zwecke moͤglich finden, den vornehmſten Beweis fuͤr die Zufaͤlligkeit des Weltganzen aus, und ſind der einzige fuͤr den gemeinen Verſtand eben ſowohl als den Philoſophen geltende Beweisgrund der Abhaͤn- gigkeit und Urſprungs deſſelben von einem außer der Welt exiſtirenden und zwar (um jener zweckmaͤßigen Form willen) verſtaͤndigen Weſen, und die Teleologie findet keine Vollendung des Aufſchluſſes fuͤr ihre Nachforſchun- gen als in einer Theologie.
Was beweiſet nun aber am Ende auch die aller voll- ſtaͤndigſte Teleologie? Beweiſet ſie etwa daß ein ſolches verſtaͤndiges Weſen da ſey? Nein; nicht weiter als daß wir nach der Beſchaffenheit unſerer Erkenntnisvermoͤgen, alſo in Verbindung der Erfahrung mit den oberſten Principien der Vernunft, uns ſchlechterdings keinen Be- grif von der Moͤglichkeit einer ſolchen Welt machen koͤn- nen, als ſo, daß wir uns eine abſichtlich-wirkende oberſte Urſache derſelben denken. Objectiv koͤnnen wir
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II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
jene Maxime der reflectirenden Urtheilskraft weſentlich
nothwendig: weil ſelbſt der Gedanke von ihnen, als
organiſirten Dingen, ohne die einer Erzeugung mit Ab-
ſicht damit zu verbinden, unmoͤglich iſt.
Nun iſt der Begrif eines Dinges, deſſen Exiſtenz
oder Form wir uns unter der Bedingung eines Zwecks
moͤglich zu ſeyn vorſtellen, mit dem Begriffe einer Zu-
faͤlligkeit deſſelben (nach Naturgeſetzen) unzertrennlich
verbunden. Daher machen auch die Naturdinge, welche
wir nur als Zwecke moͤglich finden, den vornehmſten
Beweis fuͤr die Zufaͤlligkeit des Weltganzen aus, und
ſind der einzige fuͤr den gemeinen Verſtand eben ſowohl
als den Philoſophen geltende Beweisgrund der Abhaͤn-
gigkeit und Urſprungs deſſelben von einem außer der
Welt exiſtirenden und zwar (um jener zweckmaͤßigen Form
willen) verſtaͤndigen Weſen, und die Teleologie findet
keine Vollendung des Aufſchluſſes fuͤr ihre Nachforſchun-
gen als in einer Theologie.
Was beweiſet nun aber am Ende auch die aller voll-
ſtaͤndigſte Teleologie? Beweiſet ſie etwa daß ein ſolches
verſtaͤndiges Weſen da ſey? Nein; nicht weiter als daß
wir nach der Beſchaffenheit unſerer Erkenntnisvermoͤgen,
alſo in Verbindung der Erfahrung mit den oberſten
Principien der Vernunft, uns ſchlechterdings keinen Be-
grif von der Moͤglichkeit einer ſolchen Welt machen koͤn-
nen, als ſo, daß wir uns eine abſichtlich-wirkende
oberſte Urſache derſelben denken. Objectiv koͤnnen wir
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/395>, abgerufen am 05.12.2024.
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