Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.II. Th. Critik der teleologischen Urtheilskraft. rer, durch Einwickelung dieser und Auswickelung jenerTheile, eine so große Mannigfaltigkeit von Species hat hervorbringen können, läßt einen obgleich schwachen Strahl von Hoffnung ins Gemüth fallen, daß hier wohl etwas mit dem Princip des Mechanismus der Natur, ohne das es ohnedem keine Naturwissenschaft geben kann, auszurichten seyn möchte. Diese Analogie der Formen, sofern sie bey aller Verschiedenheit einem ge- meinschaftlichen Urbilde gemäs erzeugt zu seyn scheinen, verstärkt die Vermuthung einer wirklichen Verwandschaft derselben in der Erzeugung von einer gemeinschaftlichen Urmutter, durch die stufenartige Annäherung einer Thier- gattung zur andern, von derjenigen an, in welcher das Princip der Zwecke am meisten bewährt zu seyn scheint, nämlich dem Menschen, bis zum Polyp, von diesem so gar bis zu Moosen und Flechten, und endlich zu der nie- drigsten uns merklichen Stufe der Natur, zur rohen Ma- terie: aus welcher und ihren Kräften nach mechanischen Gesetzen (gleich denen, darnach sie in Crystallerzeugun- gungen wirkt) die ganze Technick der Natur, die uns in organisirten Wesen so unbegreiflich ist, daß wir uns dazu ein anderes Princip zu denken genöthigt glauben, abzustammen scheint. Hier steht es nun dem Archäologen der Natur II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft. rer, durch Einwickelung dieſer und Auswickelung jenerTheile, eine ſo große Mannigfaltigkeit von Species hat hervorbringen koͤnnen, laͤßt einen obgleich ſchwachen Strahl von Hoffnung ins Gemuͤth fallen, daß hier wohl etwas mit dem Princip des Mechanismus der Natur, ohne das es ohnedem keine Naturwiſſenſchaft geben kann, auszurichten ſeyn moͤchte. Dieſe Analogie der Formen, ſofern ſie bey aller Verſchiedenheit einem ge- meinſchaftlichen Urbilde gemaͤs erzeugt zu ſeyn ſcheinen, verſtaͤrkt die Vermuthung einer wirklichen Verwandſchaft derſelben in der Erzeugung von einer gemeinſchaftlichen Urmutter, durch die ſtufenartige Annaͤherung einer Thier- gattung zur andern, von derjenigen an, in welcher das Princip der Zwecke am meiſten bewaͤhrt zu ſeyn ſcheint, naͤmlich dem Menſchen, bis zum Polyp, von dieſem ſo gar bis zu Mooſen und Flechten, und endlich zu der nie- drigſten uns merklichen Stufe der Natur, zur rohen Ma- terie: aus welcher und ihren Kraͤften nach mechaniſchen Geſetzen (gleich denen, darnach ſie in Cryſtallerzeugun- gungen wirkt) die ganze Technick der Natur, die uns in organiſirten Weſen ſo unbegreiflich iſt, daß wir uns dazu ein anderes Princip zu denken genoͤthigt glauben, abzuſtammen ſcheint. Hier ſteht es nun dem Archaͤologen der Natur <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0428" n="364"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.</fw><lb/> rer, durch Einwickelung dieſer und Auswickelung jener<lb/> Theile, eine ſo große Mannigfaltigkeit von Species hat<lb/> hervorbringen koͤnnen, laͤßt einen obgleich ſchwachen<lb/> Strahl von Hoffnung ins Gemuͤth fallen, daß hier wohl<lb/> etwas mit dem Princip des Mechanismus der Natur,<lb/> ohne das es ohnedem keine Naturwiſſenſchaft geben<lb/> kann, auszurichten ſeyn moͤchte. Dieſe Analogie der<lb/> Formen, ſofern ſie bey aller Verſchiedenheit einem ge-<lb/> meinſchaftlichen Urbilde gemaͤs erzeugt zu ſeyn ſcheinen,<lb/> verſtaͤrkt die Vermuthung einer wirklichen Verwandſchaft<lb/> derſelben in der Erzeugung von einer gemeinſchaftlichen<lb/> Urmutter, durch die ſtufenartige Annaͤherung einer Thier-<lb/> gattung zur andern, von derjenigen an, in welcher das<lb/> Princip der Zwecke am meiſten bewaͤhrt zu ſeyn ſcheint,<lb/> naͤmlich dem Menſchen, bis zum Polyp, von dieſem ſo<lb/> gar bis zu Mooſen und Flechten, und endlich zu der nie-<lb/> drigſten uns merklichen Stufe der Natur, zur rohen Ma-<lb/> terie: aus welcher und ihren Kraͤften nach mechaniſchen<lb/> Geſetzen (gleich denen, darnach ſie in Cryſtallerzeugun-<lb/> gungen wirkt) die ganze Technick der Natur, die uns<lb/> in organiſirten Weſen ſo unbegreiflich iſt, daß wir uns<lb/> dazu ein anderes Princip zu denken genoͤthigt glauben,<lb/> abzuſtammen ſcheint.</p><lb/> <p>Hier ſteht es nun dem <hi rendition="#fr">Archaͤologen</hi> der Natur<lb/> frey aus den uͤbriggebliebenen Spuhren ihrer aͤlteſten<lb/> Revolutionen, nach allem ihm bekannten oder gemuth-<lb/> maaßten Mechanism derſelben, jene große Familie von<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [364/0428]
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
rer, durch Einwickelung dieſer und Auswickelung jener
Theile, eine ſo große Mannigfaltigkeit von Species hat
hervorbringen koͤnnen, laͤßt einen obgleich ſchwachen
Strahl von Hoffnung ins Gemuͤth fallen, daß hier wohl
etwas mit dem Princip des Mechanismus der Natur,
ohne das es ohnedem keine Naturwiſſenſchaft geben
kann, auszurichten ſeyn moͤchte. Dieſe Analogie der
Formen, ſofern ſie bey aller Verſchiedenheit einem ge-
meinſchaftlichen Urbilde gemaͤs erzeugt zu ſeyn ſcheinen,
verſtaͤrkt die Vermuthung einer wirklichen Verwandſchaft
derſelben in der Erzeugung von einer gemeinſchaftlichen
Urmutter, durch die ſtufenartige Annaͤherung einer Thier-
gattung zur andern, von derjenigen an, in welcher das
Princip der Zwecke am meiſten bewaͤhrt zu ſeyn ſcheint,
naͤmlich dem Menſchen, bis zum Polyp, von dieſem ſo
gar bis zu Mooſen und Flechten, und endlich zu der nie-
drigſten uns merklichen Stufe der Natur, zur rohen Ma-
terie: aus welcher und ihren Kraͤften nach mechaniſchen
Geſetzen (gleich denen, darnach ſie in Cryſtallerzeugun-
gungen wirkt) die ganze Technick der Natur, die uns
in organiſirten Weſen ſo unbegreiflich iſt, daß wir uns
dazu ein anderes Princip zu denken genoͤthigt glauben,
abzuſtammen ſcheint.
Hier ſteht es nun dem Archaͤologen der Natur
frey aus den uͤbriggebliebenen Spuhren ihrer aͤlteſten
Revolutionen, nach allem ihm bekannten oder gemuth-
maaßten Mechanism derſelben, jene große Familie von
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