seines Gleichen hervorbringt und die Species sich selbst beständig erhält, imgleichen der Abgang der Jndividuen durch ihre zugleich an ihrer Zerstöhrung arbeitende Na- tur continuirlich ersetzt wird. Wenn man den Occasio- nalism der Hervorbringung organisirter Wesen an- nimmt, so geht alle Natur hiebey gänzlich verlohren, mit ihr auch aller Vernunftgebrauch, über die Möglich- keit einer solchen Art Producte zu urtheilen; daher man voraussetzen kann, daß niemand dieses System anneh- men wird, dem es irgend um Philosophie zu thun ist.
Der Prästabilism kann nun wiederum auf zwie- fache Art verfahren. Er betrachtet nämlich ein jedes von seines Gleichen gezeugte organische Wesen entweder als das Educt, oder als das Product des ersteren. Das System der Zeugungen als bloßer Educte heißt das der individuellen Präformation, oder auch die Evolutionstheorie; das der Zeugungen als Producte wird das System der Epigenests genannt, die- ses kann auch das System der generischen Profor- mation genannt werden; weil das productive Vermö- gen der Zeugenden doch nach den inneren zweckmäßigen Anlagen, die ihrem Stamme zu Theil wurden, also die specifische Form virtualiter präformirt war. Diesem ge- mäs würde man die entgegenstehende Theorie der indivi- duellen Präformation auch besser Jnvolutionstheorie (oder die der Einschachtelung) nennen können.
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II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
ſeines Gleichen hervorbringt und die Species ſich ſelbſt beſtaͤndig erhaͤlt, imgleichen der Abgang der Jndividuen durch ihre zugleich an ihrer Zerſtoͤhrung arbeitende Na- tur continuirlich erſetzt wird. Wenn man den Occaſio- nalism der Hervorbringung organiſirter Weſen an- nimmt, ſo geht alle Natur hiebey gaͤnzlich verlohren, mit ihr auch aller Vernunftgebrauch, uͤber die Moͤglich- keit einer ſolchen Art Producte zu urtheilen; daher man vorausſetzen kann, daß niemand dieſes Syſtem anneh- men wird, dem es irgend um Philoſophie zu thun iſt.
Der Praͤſtabilism kann nun wiederum auf zwie- fache Art verfahren. Er betrachtet naͤmlich ein jedes von ſeines Gleichen gezeugte organiſche Weſen entweder als das Educt, oder als das Product des erſteren. Das Syſtem der Zeugungen als bloßer Educte heißt das der individuellen Praͤformation, oder auch die Evolutionstheorie; das der Zeugungen als Producte wird das Syſtem der Epigeneſts genannt, die- ſes kann auch das Syſtem der generiſchen Profor- mation genannt werden; weil das productive Vermoͤ- gen der Zeugenden doch nach den inneren zweckmaͤßigen Anlagen, die ihrem Stamme zu Theil wurden, alſo die ſpecifiſche Form virtualiter praͤformirt war. Dieſem ge- maͤs wuͤrde man die entgegenſtehende Theorie der indivi- duellen Praͤformation auch beſſer Jnvolutionstheorie (oder die der Einſchachtelung) nennen koͤnnen.
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II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
ſeines Gleichen hervorbringt und die Species ſich ſelbſt
beſtaͤndig erhaͤlt, imgleichen der Abgang der Jndividuen
durch ihre zugleich an ihrer Zerſtoͤhrung arbeitende Na-
tur continuirlich erſetzt wird. Wenn man den Occaſio-
nalism der Hervorbringung organiſirter Weſen an-
nimmt, ſo geht alle Natur hiebey gaͤnzlich verlohren,
mit ihr auch aller Vernunftgebrauch, uͤber die Moͤglich-
keit einer ſolchen Art Producte zu urtheilen; daher man
vorausſetzen kann, daß niemand dieſes Syſtem anneh-
men wird, dem es irgend um Philoſophie zu thun iſt.
Der Praͤſtabilism kann nun wiederum auf zwie-
fache Art verfahren. Er betrachtet naͤmlich ein jedes
von ſeines Gleichen gezeugte organiſche Weſen entweder
als das Educt, oder als das Product des erſteren.
Das Syſtem der Zeugungen als bloßer Educte heißt
das der individuellen Praͤformation, oder auch
die Evolutionstheorie; das der Zeugungen als
Producte wird das Syſtem der Epigeneſts genannt, die-
ſes kann auch das Syſtem der generiſchen Profor-
mation genannt werden; weil das productive Vermoͤ-
gen der Zeugenden doch nach den inneren zweckmaͤßigen
Anlagen, die ihrem Stamme zu Theil wurden, alſo die
ſpecifiſche Form virtualiter praͤformirt war. Dieſem ge-
maͤs wuͤrde man die entgegenſtehende Theorie der indivi-
duellen Praͤformation auch beſſer Jnvolutionstheorie
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Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/435>, abgerufen am 05.12.2024.
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