Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.
II. Th. Critik der teleologischen Urtheilskraft. Kenntnis der Beschaffenheit dieser Grundlage aller orga-nischen Erzeugung giebt auf keine andere als ganz un- absichtlich wirkende, ja eher noch verwüstende, als Er- zeugung Ordnung und Zwecke begünstigende Ursachen, Anzeige. Land und Meer enthalten nicht allein Denk- mäler von alten mächtigen Verwüstungen, die sie und alle Geschöpfe, auf und in demselben, betroffen haben, in sich: sondern ihr ganzes Bauwerk, die Erdlager des ei- nen und die Grenzen des andern haben gänzlich das An- sehen des Products wilder allgewaltiger Kräfte einer im chaotischen Zustande arbeitenden Natur. So zweckmä- ßig, wie auch jetzt die Gestalt das Bauwerk und der Ab- hang der Länder für die Aufnahme der Gewässer aus der Luft, die Quelladern, zwischen Erdschichten von man- nigfaltiger Art (für mancherley Producte) und dem Laufe der Ströhme angeordnet zu seyn scheinen mögen, so beweiset doch eine nähere Untersuchung derselben: daß sie blos als die Wirkung theils feuriger, theils wässeri- ger Eruptionen, oder auch Empörungen des Oceans zu Stande gekommen sind, so wohl was die erste Erzen- gung dieser Gestalt, als vornehmlich die nachmalige Umbildung derselben, zugleich mit dem Untergange ihrer ersten organischen Erzeugungen betrift *) -- Wenn nun *) Wenn der einmal angenommene Name Naturgeschichte
für Naturbeschreibung bleiben soll, so kann man für das, was die erstere buchstäblich anzeigt, nämlich eine Vorstellung des ehemaligen alten Zustandes der Erde, worüber man, II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft. Kenntnis der Beſchaffenheit dieſer Grundlage aller orga-niſchen Erzeugung giebt auf keine andere als ganz un- abſichtlich wirkende, ja eher noch verwuͤſtende, als Er- zeugung Ordnung und Zwecke beguͤnſtigende Urſachen, Anzeige. Land und Meer enthalten nicht allein Denk- maͤler von alten maͤchtigen Verwuͤſtungen, die ſie und alle Geſchoͤpfe, auf und in demſelben, betroffen haben, in ſich: ſondern ihr ganzes Bauwerk, die Erdlager des ei- nen und die Grenzen des andern haben gaͤnzlich das An- ſehen des Products wilder allgewaltiger Kraͤfte einer im chaotiſchen Zuſtande arbeitenden Natur. So zweckmaͤ- ßig, wie auch jetzt die Geſtalt das Bauwerk und der Ab- hang der Laͤnder fuͤr die Aufnahme der Gewaͤſſer aus der Luft, die Quelladern, zwiſchen Erdſchichten von man- nigfaltiger Art (fuͤr mancherley Producte) und dem Laufe der Stroͤhme angeordnet zu ſeyn ſcheinen moͤgen, ſo beweiſet doch eine naͤhere Unterſuchung derſelben: daß ſie blos als die Wirkung theils feuriger, theils waͤſſeri- ger Eruptionen, oder auch Empoͤrungen des Oceans zu Stande gekommen ſind, ſo wohl was die erſte Erzen- gung dieſer Geſtalt, als vornehmlich die nachmalige Umbildung derſelben, zugleich mit dem Untergange ihrer erſten organiſchen Erzeugungen betrift *) — Wenn nun *) Wenn der einmal angenommene Name Naturgeſchichte
fuͤr Naturbeſchreibung bleiben ſoll, ſo kann man fuͤr das, was die erſtere buchſtaͤblich anzeigt, naͤmlich eine Vorſtellung des ehemaligen alten Zuſtandes der Erde, woruͤber man, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0444" n="380"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.</fw><lb/> Kenntnis der Beſchaffenheit dieſer Grundlage aller orga-<lb/> niſchen Erzeugung giebt auf keine andere als ganz un-<lb/> abſichtlich wirkende, ja eher noch verwuͤſtende, als Er-<lb/> zeugung Ordnung und Zwecke beguͤnſtigende Urſachen,<lb/> Anzeige. Land und Meer enthalten nicht allein Denk-<lb/> maͤler von alten maͤchtigen Verwuͤſtungen, die ſie und<lb/> alle Geſchoͤpfe, auf und in demſelben, betroffen haben,<lb/> in ſich: ſondern ihr ganzes Bauwerk, die Erdlager des ei-<lb/> nen und die Grenzen des andern haben gaͤnzlich das An-<lb/> ſehen des Products wilder allgewaltiger Kraͤfte einer im<lb/> chaotiſchen Zuſtande arbeitenden Natur. So zweckmaͤ-<lb/> ßig, wie auch jetzt die Geſtalt das Bauwerk und der Ab-<lb/> hang der Laͤnder fuͤr die Aufnahme der Gewaͤſſer aus der<lb/> Luft, die Quelladern, zwiſchen Erdſchichten von man-<lb/> nigfaltiger Art (fuͤr mancherley Producte) und dem<lb/> Laufe der Stroͤhme angeordnet zu ſeyn ſcheinen moͤgen,<lb/> ſo beweiſet doch eine naͤhere Unterſuchung derſelben: daß<lb/> ſie blos als die Wirkung theils feuriger, theils waͤſſeri-<lb/> ger Eruptionen, oder auch Empoͤrungen des Oceans zu<lb/> Stande gekommen ſind, ſo wohl was die erſte Erzen-<lb/> gung dieſer Geſtalt, als vornehmlich die nachmalige<lb/> Umbildung derſelben, zugleich mit dem Untergange ihrer<lb/> erſten organiſchen Erzeugungen betrift <note xml:id="fn444" next="#fn445" place="foot" n="*)">Wenn der einmal angenommene Name <hi rendition="#fr">Naturgeſchichte</hi><lb/> fuͤr Naturbeſchreibung bleiben ſoll, ſo kann man fuͤr das,<lb/> was die erſtere buchſtaͤblich anzeigt, naͤmlich eine Vorſtellung<lb/> des ehemaligen alten Zuſtandes der Erde, woruͤber man,</note> — Wenn nun<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [380/0444]
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
Kenntnis der Beſchaffenheit dieſer Grundlage aller orga-
niſchen Erzeugung giebt auf keine andere als ganz un-
abſichtlich wirkende, ja eher noch verwuͤſtende, als Er-
zeugung Ordnung und Zwecke beguͤnſtigende Urſachen,
Anzeige. Land und Meer enthalten nicht allein Denk-
maͤler von alten maͤchtigen Verwuͤſtungen, die ſie und
alle Geſchoͤpfe, auf und in demſelben, betroffen haben,
in ſich: ſondern ihr ganzes Bauwerk, die Erdlager des ei-
nen und die Grenzen des andern haben gaͤnzlich das An-
ſehen des Products wilder allgewaltiger Kraͤfte einer im
chaotiſchen Zuſtande arbeitenden Natur. So zweckmaͤ-
ßig, wie auch jetzt die Geſtalt das Bauwerk und der Ab-
hang der Laͤnder fuͤr die Aufnahme der Gewaͤſſer aus der
Luft, die Quelladern, zwiſchen Erdſchichten von man-
nigfaltiger Art (fuͤr mancherley Producte) und dem
Laufe der Stroͤhme angeordnet zu ſeyn ſcheinen moͤgen,
ſo beweiſet doch eine naͤhere Unterſuchung derſelben: daß
ſie blos als die Wirkung theils feuriger, theils waͤſſeri-
ger Eruptionen, oder auch Empoͤrungen des Oceans zu
Stande gekommen ſind, ſo wohl was die erſte Erzen-
gung dieſer Geſtalt, als vornehmlich die nachmalige
Umbildung derſelben, zugleich mit dem Untergange ihrer
erſten organiſchen Erzeugungen betrift *) — Wenn nun
*) Wenn der einmal angenommene Name Naturgeſchichte
fuͤr Naturbeſchreibung bleiben ſoll, ſo kann man fuͤr das,
was die erſtere buchſtaͤblich anzeigt, naͤmlich eine Vorſtellung
des ehemaligen alten Zuſtandes der Erde, woruͤber man,
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| Zitationshilfe: | Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/444>, abgerufen am 05.12.2024. |
