Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790.II. Th. Critik der teleologischen Urtheilskraft. der Wohnplatz, der Mutterboden (des Landes) und derMutterschoos (des Meeres) für alle diese Geschöpfe auf keinen andern als gänzlich unabsichtlichen Mechanism seiner Erzeugung Anzeige giebt; wie und mit welchem Recht können wir für diese letztere Producte einen andern Ursprung verlangen und behaupten? Wenn gleich der Mensch, wie die genauste Prüfung der Ueberreste jener Naturverwüstungen (nach Campers Urtheile) zu beweisen scheint, in diesen Revolutionen nicht mit begriffen war, so ist er doch von den übrigen Erdgeschöpfen so abhängig, daß wenn ein über die andere allgemeinwaltender Me- chanism der Natur eingeräumt wird, er als darunter mit begriffen angesehen werden muß; wenn ihn gleich sein Verstand (großentheils wenigstens) unter ihren Verwüstungen hat retten können. Dieses Argument scheint aber mehr zu beweisen, wenn man gleich keine Gewisheit hoffen darf, doch mit gu-
tem Grunde Vermuthungen wagt, die Archäologie der Natur, im Gegensatz mit der Kunst, nennen. Zu jener würden die Petrefacten, so wie zu dieser die geschnittene Steine u. s. w. gehören. Denn da man doch wirklich an ei- ner solchen (unter dem Nahmen einer Theorie der Erde) beständig, wenn gleich, wie billig, langsam arbeitet, so wäre dieser Nahme eben nicht einer blos eingebildeten Na- turforschung gegeben, sondern einer solchen, zu der die Natur selbst uns einladet und auffordert. II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft. der Wohnplatz, der Mutterboden (des Landes) und derMutterſchoos (des Meeres) fuͤr alle dieſe Geſchoͤpfe auf keinen andern als gaͤnzlich unabſichtlichen Mechanism ſeiner Erzeugung Anzeige giebt; wie und mit welchem Recht koͤnnen wir fuͤr dieſe letztere Producte einen andern Urſprung verlangen und behaupten? Wenn gleich der Menſch, wie die genauſte Pruͤfung der Ueberreſte jener Naturverwuͤſtungen (nach Campers Urtheile) zu beweiſen ſcheint, in dieſen Revolutionen nicht mit begriffen war, ſo iſt er doch von den uͤbrigen Erdgeſchoͤpfen ſo abhaͤngig, daß wenn ein uͤber die andere allgemeinwaltender Me- chanism der Natur eingeraͤumt wird, er als darunter mit begriffen angeſehen werden muß; wenn ihn gleich ſein Verſtand (großentheils wenigſtens) unter ihren Verwuͤſtungen hat retten koͤnnen. Dieſes Argument ſcheint aber mehr zu beweiſen, wenn man gleich keine Gewisheit hoffen darf, doch mit gu-
tem Grunde Vermuthungen wagt, die Archaͤologie der Natur, im Gegenſatz mit der Kunſt, nennen. Zu jener wuͤrden die Petrefacten, ſo wie zu dieſer die geſchnittene Steine u. ſ. w. gehoͤren. Denn da man doch wirklich an ei- ner ſolchen (unter dem Nahmen einer Theorie der Erde) beſtaͤndig, wenn gleich, wie billig, langſam arbeitet, ſo waͤre dieſer Nahme eben nicht einer blos eingebildeten Na- turforſchung gegeben, ſondern einer ſolchen, zu der die Natur ſelbſt uns einladet und auffordert. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0445" n="381"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.</fw><lb/> der Wohnplatz, der Mutterboden (des Landes) und der<lb/> Mutterſchoos (des Meeres) fuͤr alle dieſe Geſchoͤpfe auf<lb/> keinen andern als gaͤnzlich unabſichtlichen Mechanism<lb/> ſeiner Erzeugung Anzeige giebt; wie und mit welchem<lb/> Recht koͤnnen wir fuͤr dieſe letztere Producte einen andern<lb/> Urſprung verlangen und behaupten? Wenn gleich der<lb/> Menſch, wie die genauſte Pruͤfung der Ueberreſte jener<lb/> Naturverwuͤſtungen (nach Campers Urtheile) zu beweiſen<lb/> ſcheint, in dieſen Revolutionen nicht mit begriffen war,<lb/> ſo iſt er doch von den uͤbrigen Erdgeſchoͤpfen ſo abhaͤngig,<lb/> daß wenn ein uͤber die andere allgemeinwaltender Me-<lb/> chanism der Natur eingeraͤumt wird, er als darunter<lb/> mit begriffen angeſehen werden muß; wenn ihn gleich<lb/> ſein Verſtand (großentheils wenigſtens) unter ihren<lb/> Verwuͤſtungen hat retten koͤnnen.</p><lb/> <p>Dieſes Argument ſcheint aber mehr zu beweiſen,<lb/> als die Abſicht enthielt, wozu es aufgeſtellt war; naͤm-<lb/> lich, nicht blos daß der Menſch kein letzter Zweck der<lb/> Natur, und aus dem naͤmlichen Grunde, das Aggre-<lb/><note xml:id="fn445" prev="#fn444" place="foot" n="*)">wenn man gleich keine Gewisheit hoffen darf, doch mit gu-<lb/> tem Grunde Vermuthungen wagt, die <hi rendition="#fr">Archaͤologie der<lb/> Natur,</hi> im Gegenſatz mit der Kunſt, nennen. Zu jener<lb/> wuͤrden die Petrefacten, ſo wie zu dieſer die geſchnittene<lb/> Steine u. ſ. w. gehoͤren. Denn da man doch wirklich an ei-<lb/> ner ſolchen (unter dem Nahmen einer Theorie der Erde)<lb/> beſtaͤndig, wenn gleich, wie billig, langſam arbeitet, ſo<lb/> waͤre dieſer Nahme eben nicht einer blos eingebildeten Na-<lb/> turforſchung gegeben, ſondern einer ſolchen, zu der die<lb/> Natur ſelbſt uns einladet und auffordert.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [381/0445]
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
der Wohnplatz, der Mutterboden (des Landes) und der
Mutterſchoos (des Meeres) fuͤr alle dieſe Geſchoͤpfe auf
keinen andern als gaͤnzlich unabſichtlichen Mechanism
ſeiner Erzeugung Anzeige giebt; wie und mit welchem
Recht koͤnnen wir fuͤr dieſe letztere Producte einen andern
Urſprung verlangen und behaupten? Wenn gleich der
Menſch, wie die genauſte Pruͤfung der Ueberreſte jener
Naturverwuͤſtungen (nach Campers Urtheile) zu beweiſen
ſcheint, in dieſen Revolutionen nicht mit begriffen war,
ſo iſt er doch von den uͤbrigen Erdgeſchoͤpfen ſo abhaͤngig,
daß wenn ein uͤber die andere allgemeinwaltender Me-
chanism der Natur eingeraͤumt wird, er als darunter
mit begriffen angeſehen werden muß; wenn ihn gleich
ſein Verſtand (großentheils wenigſtens) unter ihren
Verwuͤſtungen hat retten koͤnnen.
Dieſes Argument ſcheint aber mehr zu beweiſen,
als die Abſicht enthielt, wozu es aufgeſtellt war; naͤm-
lich, nicht blos daß der Menſch kein letzter Zweck der
Natur, und aus dem naͤmlichen Grunde, das Aggre-
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*) wenn man gleich keine Gewisheit hoffen darf, doch mit gu-
tem Grunde Vermuthungen wagt, die Archaͤologie der
Natur, im Gegenſatz mit der Kunſt, nennen. Zu jener
wuͤrden die Petrefacten, ſo wie zu dieſer die geſchnittene
Steine u. ſ. w. gehoͤren. Denn da man doch wirklich an ei-
ner ſolchen (unter dem Nahmen einer Theorie der Erde)
beſtaͤndig, wenn gleich, wie billig, langſam arbeitet, ſo
waͤre dieſer Nahme eben nicht einer blos eingebildeten Na-
turforſchung gegeben, ſondern einer ſolchen, zu der die
Natur ſelbſt uns einladet und auffordert.
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