von der Art sind, daß sie nicht blos als subjective Grün- de des Urtheilens zur Ueberredung dienen.
Alle theoretische Beweisgründe reichen nun entwe- der zu 1) zum Beweise durch logisch-strenge Vernunft- schlüsse, oder, wo dieses nicht ist 2) zum Schlusse nach der Analogie, oder findet auch dieses etwa nicht statt, doch noch 3) zur wahrscheinlichen Meynung, oder endlich 4) was das Mindeste ist, zur Annehmung eines blos möglichen Erklärungsgrundes, als Hypo- these. -- Nun sag ich: daß alle Beweisgründe über- haupt, die auf theoretische Ueberzeugung wirken, kein Fürwahrhalten dieser Art von dem höchsten bis zum nie- drigsten Grade desselben, bewirken können, wenn der Satz, die Existenz eines Urwesens, als eines Gottes, in der, dem ganzen Jnhalte dieses Begrifs angemessenen Bedeutung, nämlich als eines moralischen Welturhebers, miihin so, daß durch ihn zugleich der Endzweck der Schö- pfung angegeben wird, bewiesen werden soll.
1) Was den logisch-gerechten, vom Allgemeinen zum Besonderen fortgehenden, Beweis betrift, so ist in der Critik hinreichend dargethan worden: daß da dem Begriffe von einem Wesen, welches über die Na- tur hinaus zu suchen ist, keine uns mögliche An- schauung correspondirt, dessen Begrif also selbst so fern er durch synthetische Prädicate theoretisch be- stimmt werden soll, für uns jederzeit problematisch bleibt, schlechterdings kein Erkenntnis desselben, (wo-
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
von der Art ſind, daß ſie nicht blos als ſubjective Gruͤn- de des Urtheilens zur Ueberredung dienen.
Alle theoretiſche Beweisgruͤnde reichen nun entwe- der zu 1) zum Beweiſe durch logiſch-ſtrenge Vernunft- ſchluͤſſe, oder, wo dieſes nicht iſt 2) zum Schluſſe nach der Analogie, oder findet auch dieſes etwa nicht ſtatt, doch noch 3) zur wahrſcheinlichen Meynung, oder endlich 4) was das Mindeſte iſt, zur Annehmung eines blos moͤglichen Erklaͤrungsgrundes, als Hypo- theſe. — Nun ſag ich: daß alle Beweisgruͤnde uͤber- haupt, die auf theoretiſche Ueberzeugung wirken, kein Fuͤrwahrhalten dieſer Art von dem hoͤchſten bis zum nie- drigſten Grade deſſelben, bewirken koͤnnen, wenn der Satz, die Exiſtenz eines Urweſens, als eines Gottes, in der, dem ganzen Jnhalte dieſes Begrifs angemeſſenen Bedeutung, naͤmlich als eines moraliſchen Welturhebers, miihin ſo, daß durch ihn zugleich der Endzweck der Schoͤ- pfung angegeben wird, bewieſen werden ſoll.
1) Was den logiſch-gerechten, vom Allgemeinen zum Beſonderen fortgehenden, Beweis betrift, ſo iſt in der Critik hinreichend dargethan worden: daß da dem Begriffe von einem Weſen, welches uͤber die Na- tur hinaus zu ſuchen iſt, keine uns moͤgliche An- ſchauung correſpondirt, deſſen Begrif alſo ſelbſt ſo fern er durch ſynthetiſche Praͤdicate theoretiſch be- ſtimmt werden ſoll, fuͤr uns jederzeit problematiſch bleibt, ſchlechterdings kein Erkenntnis deſſelben, (wo-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0506"n="442"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">II.</hi> Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.</fw><lb/>
von der Art ſind, daß ſie nicht blos als ſubjective Gruͤn-<lb/>
de des Urtheilens zur Ueberredung dienen.</p><lb/><p>Alle theoretiſche Beweisgruͤnde reichen nun entwe-<lb/>
der zu 1) zum Beweiſe durch logiſch-ſtrenge <hirendition="#fr">Vernunft-<lb/>ſchluͤſſe,</hi> oder, wo dieſes nicht iſt 2) zum <hirendition="#fr">Schluſſe</hi><lb/>
nach der <hirendition="#fr">Analogie,</hi> oder findet auch dieſes etwa nicht<lb/>ſtatt, doch noch 3) zur <hirendition="#fr">wahrſcheinlichen Meynung,</hi><lb/>
oder endlich 4) was das Mindeſte iſt, zur Annehmung<lb/>
eines blos moͤglichen Erklaͤrungsgrundes, als <hirendition="#fr">Hypo-<lb/>
theſe.</hi>— Nun ſag ich: daß alle Beweisgruͤnde uͤber-<lb/>
haupt, die auf theoretiſche Ueberzeugung wirken, kein<lb/>
Fuͤrwahrhalten dieſer Art von dem hoͤchſten bis zum nie-<lb/>
drigſten Grade deſſelben, bewirken koͤnnen, wenn der<lb/>
Satz, die Exiſtenz eines Urweſens, als eines Gottes,<lb/>
in der, dem ganzen Jnhalte dieſes Begrifs angemeſſenen<lb/>
Bedeutung, naͤmlich als eines moraliſchen Welturhebers,<lb/>
miihin ſo, daß durch ihn zugleich der Endzweck der Schoͤ-<lb/>
pfung angegeben wird, bewieſen werden ſoll.</p><lb/><list><item><p>1) Was den logiſch-gerechten, vom Allgemeinen<lb/>
zum Beſonderen fortgehenden, Beweis betrift, ſo iſt<lb/>
in der Critik hinreichend dargethan worden: daß da<lb/>
dem Begriffe von einem Weſen, welches uͤber die Na-<lb/>
tur hinaus zu ſuchen iſt, keine uns moͤgliche An-<lb/>ſchauung correſpondirt, deſſen Begrif alſo ſelbſt ſo<lb/>
fern er durch ſynthetiſche Praͤdicate theoretiſch be-<lb/>ſtimmt werden ſoll, fuͤr uns jederzeit problematiſch<lb/>
bleibt, ſchlechterdings kein Erkenntnis deſſelben, (wo-<lb/></p></item></list></div></div></div></div></body></text></TEI>
[442/0506]
II. Th. Critik der teleologiſchen Urtheilskraft.
von der Art ſind, daß ſie nicht blos als ſubjective Gruͤn-
de des Urtheilens zur Ueberredung dienen.
Alle theoretiſche Beweisgruͤnde reichen nun entwe-
der zu 1) zum Beweiſe durch logiſch-ſtrenge Vernunft-
ſchluͤſſe, oder, wo dieſes nicht iſt 2) zum Schluſſe
nach der Analogie, oder findet auch dieſes etwa nicht
ſtatt, doch noch 3) zur wahrſcheinlichen Meynung,
oder endlich 4) was das Mindeſte iſt, zur Annehmung
eines blos moͤglichen Erklaͤrungsgrundes, als Hypo-
theſe. — Nun ſag ich: daß alle Beweisgruͤnde uͤber-
haupt, die auf theoretiſche Ueberzeugung wirken, kein
Fuͤrwahrhalten dieſer Art von dem hoͤchſten bis zum nie-
drigſten Grade deſſelben, bewirken koͤnnen, wenn der
Satz, die Exiſtenz eines Urweſens, als eines Gottes,
in der, dem ganzen Jnhalte dieſes Begrifs angemeſſenen
Bedeutung, naͤmlich als eines moraliſchen Welturhebers,
miihin ſo, daß durch ihn zugleich der Endzweck der Schoͤ-
pfung angegeben wird, bewieſen werden ſoll.
1) Was den logiſch-gerechten, vom Allgemeinen
zum Beſonderen fortgehenden, Beweis betrift, ſo iſt
in der Critik hinreichend dargethan worden: daß da
dem Begriffe von einem Weſen, welches uͤber die Na-
tur hinaus zu ſuchen iſt, keine uns moͤgliche An-
ſchauung correſpondirt, deſſen Begrif alſo ſelbſt ſo
fern er durch ſynthetiſche Praͤdicate theoretiſch be-
ſtimmt werden ſoll, fuͤr uns jederzeit problematiſch
bleibt, ſchlechterdings kein Erkenntnis deſſelben, (wo-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der Urtheilskraft. Berlin u. a., 1790, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_urtheilskraft_1790/506>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.