Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764.Vorrede. vierzigstes Jahr, in so grossen Uebermaaß em-pfunden hat. Sie wurde ihrer Mutter wieder zurück gegeben. Zuerst mußte sie Kin- dermagd ihres Halbbruders werden, und bald darauf wurde ihr die Besorgung und Verpflegung von drey Rindern, der ganzen Heerde ihrer Aeltern, aufgetragen. Kurz vorher zeigten sich die ersten Spuhren ihres natürlichen Hanges zur Dichtkunst dadurch, daß sie eine ungewöhnliche Lust zum Singen fühlte, und hundert geistliche Kirchenlieder auswendig wußte, die sie bey ihrer Arbeit und bey der Hütung ihrer kleinen Heerde sang. Dadurch entstund bey ihr die Be- gierde selbst ein Morgenlied zu verfertigen, von dem sie sich aber nichts mehr erinnert. Vorrede. vierzigſtes Jahr, in ſo groſſen Uebermaaß em-pfunden hat. Sie wurde ihrer Mutter wieder zuruͤck gegeben. Zuerſt mußte ſie Kin- dermagd ihres Halbbruders werden, und bald darauf wurde ihr die Beſorgung und Verpflegung von drey Rindern, der ganzen Heerde ihrer Aeltern, aufgetragen. Kurz vorher zeigten ſich die erſten Spuhren ihres natuͤrlichen Hanges zur Dichtkunſt dadurch, daß ſie eine ungewoͤhnliche Luſt zum Singen fuͤhlte, und hundert geiſtliche Kirchenlieder auswendig wußte, die ſie bey ihrer Arbeit und bey der Huͤtung ihrer kleinen Heerde ſang. Dadurch entſtund bey ihr die Be- gierde ſelbſt ein Morgenlied zu verfertigen, von dem ſie ſich aber nichts mehr erinnert. <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0018" n="XIV"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/> vierzigſtes Jahr, in ſo groſſen Uebermaaß em-<lb/> pfunden hat. Sie wurde ihrer Mutter<lb/> wieder zuruͤck gegeben. Zuerſt mußte ſie Kin-<lb/> dermagd ihres Halbbruders werden, und<lb/> bald darauf wurde ihr die Beſorgung und<lb/> Verpflegung von drey Rindern, der ganzen<lb/> Heerde ihrer Aeltern, aufgetragen. Kurz<lb/> vorher zeigten ſich die erſten Spuhren ihres<lb/> natuͤrlichen Hanges zur Dichtkunſt dadurch,<lb/> daß ſie eine ungewoͤhnliche Luſt zum Singen<lb/> fuͤhlte, und hundert geiſtliche Kirchenlieder<lb/> auswendig wußte, die ſie bey ihrer Arbeit<lb/> und bey der Huͤtung ihrer kleinen Heerde<lb/> ſang. Dadurch entſtund bey ihr die Be-<lb/> gierde ſelbſt ein Morgenlied zu verfertigen,<lb/> von dem ſie ſich aber nichts mehr erinnert.</p><lb/> </div> </front> </text> </TEI> [XIV/0018]
Vorrede.
vierzigſtes Jahr, in ſo groſſen Uebermaaß em-
pfunden hat. Sie wurde ihrer Mutter
wieder zuruͤck gegeben. Zuerſt mußte ſie Kin-
dermagd ihres Halbbruders werden, und
bald darauf wurde ihr die Beſorgung und
Verpflegung von drey Rindern, der ganzen
Heerde ihrer Aeltern, aufgetragen. Kurz
vorher zeigten ſich die erſten Spuhren ihres
natuͤrlichen Hanges zur Dichtkunſt dadurch,
daß ſie eine ungewoͤhnliche Luſt zum Singen
fuͤhlte, und hundert geiſtliche Kirchenlieder
auswendig wußte, die ſie bey ihrer Arbeit
und bey der Huͤtung ihrer kleinen Heerde
ſang. Dadurch entſtund bey ihr die Be-
gierde ſelbſt ein Morgenlied zu verfertigen,
von dem ſie ſich aber nichts mehr erinnert.
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