Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite
Oden.
O welch ein Schmerz! o welche Freundes-Thränen!
Ganz finstrer Kummer war dein Angesicht.
So stumm sitzt, sich an seiner Urne lehnen
Die Freundschaft deren Auge Klagen (*) spricht.
Freund, keine Seufzer bringen dir ihn wieder!
Und spieltest du des harten Schicksals Ohr
Des Orpheus allerflehentlichste Lieder
Auf einer Steinbezwingbaren Leyer vor!
Doch, riefst du zu den heiligen Gebeinen
Ihn nicht zurück den hingeflognen Geist!
Die Zeit, o Freund, muß dich zu trösten weinen;
Die Ewigkeit mißgönnt' ihr deinen Kleist!


(*) Herr Bernhard Rode mahlte damals an dem Gemählde
über den Tod des Herrn von Kleist, welches in der Garnison-
Kirche zu Berlin zu sehen ist. Die Figur der Freundschaft hat
den Beyfall der Kenner erhalten.
Oden.
O welch ein Schmerz! o welche Freundes-Thraͤnen!
Ganz finſtrer Kummer war dein Angeſicht.
So ſtumm ſitzt, ſich an ſeiner Urne lehnen
Die Freundſchaft deren Auge Klagen (*) ſpricht.
Freund, keine Seufzer bringen dir ihn wieder!
Und ſpielteſt du des harten Schickſals Ohr
Des Orpheus allerflehentlichſte Lieder
Auf einer Steinbezwingbaren Leyer vor!
Doch, riefſt du zu den heiligen Gebeinen
Ihn nicht zuruͤck den hingeflognen Geiſt!
Die Zeit, o Freund, muß dich zu troͤſten weinen;
Die Ewigkeit mißgoͤnnt’ ihr deinen Kleiſt!


(*) Herr Bernhard Rode mahlte damals an dem Gemählde
über den Tod des Herrn von Kleiſt, welches in der Garniſon-
Kirche zu Berlin zu ſehen iſt. Die Figur der Freundſchaft hat
den Beyfall der Kenner erhalten.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0198" n="154"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Oden.</hi> </fw><lb/>
          <lg type="poem" n="1">
            <l>O welch ein Schmerz! o welche Freundes-Thra&#x0364;nen!<lb/>
Ganz fin&#x017F;trer Kummer war dein Ange&#x017F;icht.<lb/>
So &#x017F;tumm &#x017F;itzt, &#x017F;ich an &#x017F;einer Urne lehnen<lb/>
Die Freund&#x017F;chaft deren Auge Klagen <note place="foot" n="(*)">Herr Bernhard Rode mahlte damals an dem Gemählde<lb/>
über den Tod des Herrn von Klei&#x017F;t, welches in der Garni&#x017F;on-<lb/>
Kirche zu Berlin zu &#x017F;ehen i&#x017F;t. Die Figur der Freund&#x017F;chaft hat<lb/>
den Beyfall der Kenner erhalten.</note> &#x017F;pricht.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem" n="2">
            <l>Freund, keine Seufzer bringen dir ihn wieder!<lb/>
Und &#x017F;pielte&#x017F;t du des harten Schick&#x017F;als Ohr<lb/>
Des Orpheus allerflehentlich&#x017F;te Lieder<lb/>
Auf einer Steinbezwingbaren Leyer vor!<lb/>
Doch, rief&#x017F;t du zu den heiligen Gebeinen<lb/>
Ihn nicht zuru&#x0364;ck den hingeflognen Gei&#x017F;t!<lb/>
Die Zeit, o Freund, muß dich zu tro&#x0364;&#x017F;ten weinen;<lb/>
Die Ewigkeit mißgo&#x0364;nnt&#x2019; ihr deinen Klei&#x017F;t!</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0198] Oden. O welch ein Schmerz! o welche Freundes-Thraͤnen! Ganz finſtrer Kummer war dein Angeſicht. So ſtumm ſitzt, ſich an ſeiner Urne lehnen Die Freundſchaft deren Auge Klagen (*) ſpricht. Freund, keine Seufzer bringen dir ihn wieder! Und ſpielteſt du des harten Schickſals Ohr Des Orpheus allerflehentlichſte Lieder Auf einer Steinbezwingbaren Leyer vor! Doch, riefſt du zu den heiligen Gebeinen Ihn nicht zuruͤck den hingeflognen Geiſt! Die Zeit, o Freund, muß dich zu troͤſten weinen; Die Ewigkeit mißgoͤnnt’ ihr deinen Kleiſt! (*) Herr Bernhard Rode mahlte damals an dem Gemählde über den Tod des Herrn von Kleiſt, welches in der Garniſon- Kirche zu Berlin zu ſehen iſt. Die Figur der Freundſchaft hat den Beyfall der Kenner erhalten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764/198
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1764/198>, abgerufen am 22.11.2024.