Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764.Zweytes Buch. "Hier fehlet eine Perlen-Schnur!So schrie er, als sein Herz in ihm zusammenfuhr: Es wurde nachgeforscht, und endlich ward befunden, Daß lange nach den Andachts-Stunden, Noch ein Soldat vor ihr gekniet. Er wird geholt; er kommt gebunden; Und als er nun die Richter sieht, So spricht er: "Ja! ich läugne nicht, zu haben "Die theure Perlen-Schnur. Doch ihre Hände gaben "Mir selber diesen Schatz. Ich bin ein armer Mann "Der Weib und Kinder hat, und sie nicht nähren kann. "Ich hörte, daß dies Bild so viele Wunder thäte, "Drum lieg ich lange da, und bete: "Ach! hilf mir liebe Frau! wenn du begabet bist "Mit solcher Gotteskraft auf Erden! "Mir hilft kein römischer, catholisch-guter Christ "Wenn du nicht hilfst, so muß ich werden "Aus Armuth heut ein Calvinist. Zweytes Buch. ”Hier fehlet eine Perlen-Schnur!So ſchrie er, als ſein Herz in ihm zuſammenfuhr: Es wurde nachgeforſcht, und endlich ward befunden, Daß lange nach den Andachts-Stunden, Noch ein Soldat vor ihr gekniet. Er wird geholt; er kommt gebunden; Und als er nun die Richter ſieht, So ſpricht er: ”Ja! ich laͤugne nicht, zu haben ”Die theure Perlen-Schnur. Doch ihre Haͤnde gaben ”Mir ſelber dieſen Schatz. Ich bin ein armer Mann ”Der Weib und Kinder hat, und ſie nicht naͤhren kann. ”Ich hoͤrte, daß dies Bild ſo viele Wunder thaͤte, ”Drum lieg ich lange da, und bete: ”Ach! hilf mir liebe Frau! wenn du begabet biſt ”Mit ſolcher Gotteskraft auf Erden! ”Mir hilft kein roͤmiſcher, catholiſch-guter Chriſt ”Wenn du nicht hilfſt, ſo muß ich werden ”Aus Armuth heut ein Calviniſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem" n="4"> <l><pb facs="#f0361" n="317"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweytes Buch.</hi></fw><lb/> ”Hier fehlet eine Perlen-Schnur!<lb/> So ſchrie er, als ſein Herz in ihm zuſammenfuhr:<lb/> Es wurde nachgeforſcht, und endlich ward befunden,<lb/> Daß lange nach den Andachts-Stunden,<lb/> Noch ein Soldat vor ihr gekniet.<lb/> Er wird geholt; er kommt gebunden;<lb/> Und als er nun die Richter ſieht,<lb/> So ſpricht er: ”Ja! ich laͤugne nicht, zu haben<lb/> ”Die theure Perlen-Schnur. Doch ihre Haͤnde gaben<lb/> ”Mir ſelber dieſen Schatz. Ich bin ein armer Mann<lb/> ”Der Weib und Kinder hat, und ſie nicht naͤhren kann.<lb/> ”Ich hoͤrte, daß dies Bild ſo viele Wunder thaͤte,<lb/> ”Drum lieg ich lange da, und bete:<lb/> ”Ach! hilf mir liebe Frau! wenn du begabet biſt<lb/> ”Mit ſolcher Gotteskraft auf Erden!<lb/> ”Mir hilft kein roͤmiſcher, catholiſch-guter Chriſt<lb/> ”Wenn du nicht hilfſt, ſo muß ich werden<lb/> ”Aus Armuth heut ein Calviniſt.<lb/></l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [317/0361]
Zweytes Buch.
”Hier fehlet eine Perlen-Schnur!
So ſchrie er, als ſein Herz in ihm zuſammenfuhr:
Es wurde nachgeforſcht, und endlich ward befunden,
Daß lange nach den Andachts-Stunden,
Noch ein Soldat vor ihr gekniet.
Er wird geholt; er kommt gebunden;
Und als er nun die Richter ſieht,
So ſpricht er: ”Ja! ich laͤugne nicht, zu haben
”Die theure Perlen-Schnur. Doch ihre Haͤnde gaben
”Mir ſelber dieſen Schatz. Ich bin ein armer Mann
”Der Weib und Kinder hat, und ſie nicht naͤhren kann.
”Ich hoͤrte, daß dies Bild ſo viele Wunder thaͤte,
”Drum lieg ich lange da, und bete:
”Ach! hilf mir liebe Frau! wenn du begabet biſt
”Mit ſolcher Gotteskraft auf Erden!
”Mir hilft kein roͤmiſcher, catholiſch-guter Chriſt
”Wenn du nicht hilfſt, ſo muß ich werden
”Aus Armuth heut ein Calviniſt.
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