Karsch, Anna Luise: Auserlesene Gedichte. Berlin, 1764.Vermischte Gedichte. Sich heilig zur Religion,Die himmlisch lächelnd sich zu ihrer Seele wandte Mit Gütern, die vorher ihr Herz nie recht er- kannte; Und kämpfen mußte sie noch schwer. Sie suchte lange Trost und lange blieb sie leer, Fiel in Entzückung, lag tief schlummernd viele Stunden, Schlug sanft die Augen auf, ward Tag im An- gesicht Und rief mit Freudigkeit: ich habe nun gefunden! Was fand sie denn, o Tod? -- Die Ruhe, welche nicht Der ganzen Welt Versprechung kann gewähren Dem Sterbenden, der alles eitel nennt, Nicht mehr der Erde Götzen kennt Und Ruhe sucht und Ruhe liegt begehren. Dann frägt der stärkste Geist, der kühnste Atheist: Ob Reichthum, Lust und Ehre folgen werden? Und alle sagen; nein, und alles bleibt auf Erden, Vermiſchte Gedichte. Sich heilig zur Religion,Die himmliſch laͤchelnd ſich zu ihrer Seele wandte Mit Guͤtern, die vorher ihr Herz nie recht er- kannte; Und kaͤmpfen mußte ſie noch ſchwer. Sie ſuchte lange Troſt und lange blieb ſie leer, Fiel in Entzuͤckung, lag tief ſchlummernd viele Stunden, Schlug ſanft die Augen auf, ward Tag im An- geſicht Und rief mit Freudigkeit: ich habe nun gefunden! Was fand ſie denn, o Tod? — Die Ruhe, welche nicht Der ganzen Welt Verſprechung kann gewaͤhren Dem Sterbenden, der alles eitel nennt, Nicht mehr der Erde Goͤtzen kennt Und Ruhe ſucht und Ruhe liegt begehren. Dann fraͤgt der ſtaͤrkſte Geiſt, der kuͤhnſte Atheiſt: Ob Reichthum, Luſt und Ehre folgen werden? Und alle ſagen; nein, und alles bleibt auf Erden, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem" n="6"> <l><pb facs="#f0372" n="328"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vermiſchte Gedichte.</hi></fw><lb/> Sich heilig zur Religion,<lb/> Die himmliſch laͤchelnd ſich zu ihrer Seele wandte<lb/> Mit Guͤtern, die vorher ihr Herz nie recht er-<lb/><hi rendition="#et">kannte;</hi><lb/> Und kaͤmpfen mußte ſie noch ſchwer.<lb/> Sie ſuchte lange Troſt und lange blieb ſie leer,<lb/> Fiel in Entzuͤckung, lag tief ſchlummernd viele<lb/><hi rendition="#et">Stunden,</hi><lb/> Schlug ſanft die Augen auf, ward Tag im An-<lb/><hi rendition="#et">geſicht</hi><lb/> Und rief mit Freudigkeit: ich habe nun gefunden!<lb/> Was fand ſie denn, o Tod? — Die Ruhe, welche<lb/><hi rendition="#et">nicht</hi><lb/> Der ganzen Welt Verſprechung kann gewaͤhren<lb/> Dem Sterbenden, der alles eitel nennt,<lb/> Nicht mehr der Erde Goͤtzen kennt<lb/> Und Ruhe ſucht und Ruhe liegt begehren.<lb/> Dann fraͤgt der ſtaͤrkſte Geiſt, der kuͤhnſte Atheiſt:<lb/> Ob Reichthum, Luſt und Ehre folgen werden?<lb/> Und alle ſagen; nein, und alles bleibt auf Erden,<lb/></l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [328/0372]
Vermiſchte Gedichte.
Sich heilig zur Religion,
Die himmliſch laͤchelnd ſich zu ihrer Seele wandte
Mit Guͤtern, die vorher ihr Herz nie recht er-
kannte;
Und kaͤmpfen mußte ſie noch ſchwer.
Sie ſuchte lange Troſt und lange blieb ſie leer,
Fiel in Entzuͤckung, lag tief ſchlummernd viele
Stunden,
Schlug ſanft die Augen auf, ward Tag im An-
geſicht
Und rief mit Freudigkeit: ich habe nun gefunden!
Was fand ſie denn, o Tod? — Die Ruhe, welche
nicht
Der ganzen Welt Verſprechung kann gewaͤhren
Dem Sterbenden, der alles eitel nennt,
Nicht mehr der Erde Goͤtzen kennt
Und Ruhe ſucht und Ruhe liegt begehren.
Dann fraͤgt der ſtaͤrkſte Geiſt, der kuͤhnſte Atheiſt:
Ob Reichthum, Luſt und Ehre folgen werden?
Und alle ſagen; nein, und alles bleibt auf Erden,
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