Kind, ein gutherziges Mädchen, welches mit vier Jah- ren starb. Die Vermehrung derjenigen, welche Nah- rung und Kleider begehrten, machten ihren Hausstand immer bekümmerter und lästiger. So fleißig und wil- lig sie arbeitete, so empfand sie doch das Ueberwiegende ihrer Sorgenbürde überschwenglich. Wann sie nun geschrieben hatte, bis oft der Wächter den Tag absang; alsdann mußte sie nach einigen Stunden sorgenvollen Schlafs, aus welchem sie noch zuweilen von ihrem trunkenen und noch durstigen Karsch gestört wurde, am dämmernden Morgen im Winter mit halbbedeckten Gliedern gehn und eine lange Straße weit ein Bün- delchen Holz zum Einheitzen borgen. Auch die Bedürf- nisse zum Morgenbrod und zu des Tages übrigen Un- terhalt holte sie mit gleich beschämenden Aengsten her- bei, und die alleräußersten Nothwendigkeiten konnten nur mit der größten Sorge herbeigeschafft werden. Ihre Kinder wurden die kleinen Sklaven ihrer Noth, und gingen so armselig gekleidet, wie diejenigen, welche das öffentliche Mitleid anflehen. Armuth, Zank, Mißhandlungen, alles was man Elend nennt, war in ihrer Haushaltung vereiniget, und sie würde, trotz des Talents der Dichterin bald zur niedrigsten Race ver- sunken seyn, wenn ihres Mannes Stolz nicht glückli- cher Weise noch ein gewisses Gefühl von Ehre gehabt hätte, welches ihm noch von seiner genoßenen Erzie-
Kind, ein gutherziges Maͤdchen, welches mit vier Jah- ren ſtarb. Die Vermehrung derjenigen, welche Nah- rung und Kleider begehrten, machten ihren Hausſtand immer bekuͤmmerter und laͤſtiger. So fleißig und wil- lig ſie arbeitete, ſo empfand ſie doch das Ueberwiegende ihrer Sorgenbuͤrde uͤberſchwenglich. Wann ſie nun geſchrieben hatte, bis oft der Waͤchter den Tag abſang; alsdann mußte ſie nach einigen Stunden ſorgenvollen Schlafs, aus welchem ſie noch zuweilen von ihrem trunkenen und noch durſtigen Karſch geſtoͤrt wurde, am daͤmmernden Morgen im Winter mit halbbedeckten Gliedern gehn und eine lange Straße weit ein Buͤn- delchen Holz zum Einheitzen borgen. Auch die Beduͤrf- niſſe zum Morgenbrod und zu des Tages uͤbrigen Un- terhalt holte ſie mit gleich beſchaͤmenden Aengſten her- bei, und die alleraͤußerſten Nothwendigkeiten konnten nur mit der groͤßten Sorge herbeigeſchafft werden. Ihre Kinder wurden die kleinen Sklaven ihrer Noth, und gingen ſo armſelig gekleidet, wie diejenigen, welche das oͤffentliche Mitleid anflehen. Armuth, Zank, Mißhandlungen, alles was man Elend nennt, war in ihrer Haushaltung vereiniget, und ſie wuͤrde, trotz des Talents der Dichterin bald zur niedrigſten Race ver- ſunken ſeyn, wenn ihres Mannes Stolz nicht gluͤckli- cher Weiſe noch ein gewiſſes Gefuͤhl von Ehre gehabt haͤtte, welches ihm noch von ſeiner genoßenen Erzie-
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Kind, ein gutherziges Maͤdchen, welches mit vier Jah-
ren ſtarb. Die Vermehrung derjenigen, welche Nah-
rung und Kleider begehrten, machten ihren Hausſtand
immer bekuͤmmerter und laͤſtiger. So fleißig und wil-
lig ſie arbeitete, ſo empfand ſie doch das Ueberwiegende
ihrer Sorgenbuͤrde uͤberſchwenglich. Wann ſie nun
geſchrieben hatte, bis oft der Waͤchter den Tag abſang;
alsdann mußte ſie nach einigen Stunden ſorgenvollen
Schlafs, aus welchem ſie noch zuweilen von ihrem
trunkenen und noch durſtigen Karſch geſtoͤrt wurde,
am daͤmmernden Morgen im Winter mit halbbedeckten
Gliedern gehn und eine lange Straße weit ein Buͤn-
delchen Holz zum Einheitzen borgen. Auch die Beduͤrf-
niſſe zum Morgenbrod und zu des Tages uͤbrigen Un-
terhalt holte ſie mit gleich beſchaͤmenden Aengſten her-
bei, und die alleraͤußerſten Nothwendigkeiten konnten
nur mit der groͤßten Sorge herbeigeſchafft werden.
Ihre Kinder wurden die kleinen Sklaven ihrer Noth,
und gingen ſo armſelig gekleidet, wie diejenigen,
welche das oͤffentliche Mitleid anflehen. Armuth, Zank,
Mißhandlungen, alles was man Elend nennt, war in
ihrer Haushaltung vereiniget, und ſie wuͤrde, trotz des
Talents der Dichterin bald zur niedrigſten Race ver-
ſunken ſeyn, wenn ihres Mannes Stolz nicht gluͤckli-
cher Weiſe noch ein gewiſſes Gefuͤhl von Ehre gehabt
haͤtte, welches ihm noch von ſeiner genoßenen Erzie-
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/106>, abgerufen am 21.11.2024.
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