Hausgeräth besaß, und behielt nichts als ihre Kleider und ihre zwei Kinder. Vor Erwarten der Dinge, die da kommen sollten, ward in der Nacht zum letzten Morgen in Glogau nicht geschlafen, sondern auf ihren Knieen dichtete sie Danklieder, bis endlich der Wäch- ter die letzte ihrer Kummernächte abrief: da kam der Wagen des Barons, worauf sich die Dichterin mit ih- ren beiden Kindern setzte -- O Gott! wer nicht elend, nicht bedrängt gewesen ist, der kann das nicht empfin- den, was hier so unaussprechlich empfunden ward! Dieser Wagen, welcher nicht Ueberwundene, sondern Ueberwinder jedes Leidens führte, war gewiß vor den Morgensternen glänzender, als irgend ein Triumph- wagen der stolzen Sieger zu Rom -- -- Seegen, un- sterblichen Dank der Asche des Edlen Barons! Viele Großen wurden nachher bewährte Freunde der Dich- terin; aber Einer nur hatte den Muth, sie aus der Tiefe der Armuth zu reißen; und dieser war der Ba- ron von Kottwitz. Unvergänglich blühe dafür sein erhabenes Geschlecht! und nie müsse es seinem edlen menschenfreundlichen Stamme an jeder Freudenfülle mangeln, welche des Daseyns Glückseligkeit ist!
Die Reise nach Berlin ging über Boyadel, den Hauptadelsitz des Barons, sie kamen daselbst in Einem Tage an. Ihr Wohlthäter war voraus gereiset, und
Hausgeraͤth beſaß, und behielt nichts als ihre Kleider und ihre zwei Kinder. Vor Erwarten der Dinge, die da kommen ſollten, ward in der Nacht zum letzten Morgen in Glogau nicht geſchlafen, ſondern auf ihren Knieen dichtete ſie Danklieder, bis endlich der Waͤch- ter die letzte ihrer Kummernaͤchte abrief: da kam der Wagen des Barons, worauf ſich die Dichterin mit ih- ren beiden Kindern ſetzte — O Gott! wer nicht elend, nicht bedraͤngt geweſen iſt, der kann das nicht empfin- den, was hier ſo unausſprechlich empfunden ward! Dieſer Wagen, welcher nicht Ueberwundene, ſondern Ueberwinder jedes Leidens fuͤhrte, war gewiß vor den Morgenſternen glaͤnzender, als irgend ein Triumph- wagen der ſtolzen Sieger zu Rom — — Seegen, un- ſterblichen Dank der Aſche des Edlen Barons! Viele Großen wurden nachher bewaͤhrte Freunde der Dich- terin; aber Einer nur hatte den Muth, ſie aus der Tiefe der Armuth zu reißen; und dieſer war der Ba- ron von Kottwitz. Unvergaͤnglich bluͤhe dafuͤr ſein erhabenes Geſchlecht! und nie muͤſſe es ſeinem edlen menſchenfreundlichen Stamme an jeder Freudenfuͤlle mangeln, welche des Daſeyns Gluͤckſeligkeit iſt!
Die Reiſe nach Berlin ging uͤber Boyadel, den Hauptadelſitz des Barons, ſie kamen daſelbſt in Einem Tage an. Ihr Wohlthaͤter war voraus gereiſet, und
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Hausgeraͤth beſaß, und behielt nichts als ihre Kleider
und ihre zwei Kinder. Vor Erwarten der Dinge, die
da kommen ſollten, ward in der Nacht zum letzten
Morgen in Glogau nicht geſchlafen, ſondern auf ihren
Knieen dichtete ſie Danklieder, bis endlich der Waͤch-
ter die letzte ihrer Kummernaͤchte abrief: da kam der
Wagen des Barons, worauf ſich die Dichterin mit ih-
ren beiden Kindern ſetzte — O Gott! wer nicht elend,
nicht bedraͤngt geweſen iſt, der kann das nicht empfin-
den, was hier ſo unausſprechlich empfunden ward!
Dieſer Wagen, welcher nicht Ueberwundene, ſondern
Ueberwinder jedes Leidens fuͤhrte, war gewiß vor den
Morgenſternen glaͤnzender, als irgend ein Triumph-
wagen der ſtolzen Sieger zu Rom — — Seegen, un-
ſterblichen Dank der Aſche des Edlen Barons! Viele
Großen wurden nachher bewaͤhrte Freunde der Dich-
terin; aber Einer nur hatte den Muth, ſie aus der
Tiefe der Armuth zu reißen; und dieſer war der Ba-
ron von Kottwitz. Unvergaͤnglich bluͤhe dafuͤr ſein
erhabenes Geſchlecht! und nie muͤſſe es ſeinem edlen
menſchenfreundlichen Stamme an jeder Freudenfuͤlle
mangeln, welche des Daſeyns Gluͤckſeligkeit iſt!
Die Reiſe nach Berlin ging uͤber Boyadel, den
Hauptadelſitz des Barons, ſie kamen daſelbſt in Einem
Tage an. Ihr Wohlthaͤter war voraus gereiſet, und
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/116>, abgerufen am 21.11.2024.
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