Frauenzimmer nach gerade von der glänzenden Bühne abtreten, um jungen Schönen für die Bewunderung Platz zu machen, ward, trotz allen nur möglichsten Leiden, durch welche die Dichterin bis zur dieser Epo- che gekommen war, der Zeitpunkt, wo sie erst auf- blühte, bemerkt und bewundert wurde.
Sobald man hörte, die Karschin sey angekom- men, so eiferte auch alles, was Geschmack haben woll- te, um die Wette, dieses Wunder von Frau zu sehen. So bürgerlich sie auch noch in den ersten Tagen ein- her ging, so wurden ihr doch verschiedene Equipagen geschickt, um sie in die vorzüglichsten Gesellschaften abzuholen. Es gereicht wirklich den Herzen, wie dem Verstande der edlen Berliner zur Ehre, daß sie nicht zu stolz waren, weder der Dichterin ihren gemeinen Stand noch Anzug entgelten zu lassen, sondern ihr mit aller der Aufmerksamkeit und Feinheit begegneten, welche ihrem Talente zukamen. Vorzüglich bemühete sich der für die schönen Wissenschaften so warme Freund, der damalige noch junge Herr Doktor Krünitz (jetzt berühmter Verfasser der Encyklopädie), der erste zu seyn, der es sich zum Vergnügen machte, ihr Freunde anzuwerben. Er führte sie in die Häuser eines Oberkon- sistorialraths Köppen, eines Geheimerath Buchholz, Hofrath Stahl, Ober-Hofprediger Sack, Rektor Wippel, und mehrerer dergleichen, ein, wo sie denn
Frauenzimmer nach gerade von der glaͤnzenden Buͤhne abtreten, um jungen Schoͤnen fuͤr die Bewunderung Platz zu machen, ward, trotz allen nur moͤglichſten Leiden, durch welche die Dichterin bis zur dieſer Epo- che gekommen war, der Zeitpunkt, wo ſie erſt auf- bluͤhte, bemerkt und bewundert wurde.
Sobald man hoͤrte, die Karſchin ſey angekom- men, ſo eiferte auch alles, was Geſchmack haben woll- te, um die Wette, dieſes Wunder von Frau zu ſehen. So buͤrgerlich ſie auch noch in den erſten Tagen ein- her ging, ſo wurden ihr doch verſchiedene Equipagen geſchickt, um ſie in die vorzuͤglichſten Geſellſchaften abzuholen. Es gereicht wirklich den Herzen, wie dem Verſtande der edlen Berliner zur Ehre, daß ſie nicht zu ſtolz waren, weder der Dichterin ihren gemeinen Stand noch Anzug entgelten zu laſſen, ſondern ihr mit aller der Aufmerkſamkeit und Feinheit begegneten, welche ihrem Talente zukamen. Vorzuͤglich bemuͤhete ſich der fuͤr die ſchoͤnen Wiſſenſchaften ſo warme Freund, der damalige noch junge Herr Doktor Kruͤnitz (jetzt beruͤhmter Verfaſſer der Encyklopaͤdie), der erſte zu ſeyn, der es ſich zum Vergnuͤgen machte, ihr Freunde anzuwerben. Er fuͤhrte ſie in die Haͤuſer eines Oberkon- ſiſtorialraths Koͤppen, eines Geheimerath Buchholz, Hofrath Stahl, Ober-Hofprediger Sack, Rektor Wippel, und mehrerer dergleichen, ein, wo ſie denn
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0120"n="88"/>
Frauenzimmer nach gerade von der glaͤnzenden Buͤhne<lb/>
abtreten, um jungen Schoͤnen fuͤr die Bewunderung<lb/>
Platz zu machen, ward, trotz allen nur moͤglichſten<lb/>
Leiden, durch welche die Dichterin bis zur dieſer Epo-<lb/>
che gekommen war, der Zeitpunkt, wo ſie erſt auf-<lb/>
bluͤhte, bemerkt und bewundert wurde.</p><lb/><p>Sobald man hoͤrte, die <hirendition="#fr">Karſchin</hi>ſey angekom-<lb/>
men, ſo eiferte auch alles, was Geſchmack haben woll-<lb/>
te, um die Wette, dieſes Wunder von Frau zu ſehen.<lb/>
So buͤrgerlich ſie auch noch in den erſten Tagen ein-<lb/>
her ging, ſo wurden ihr doch verſchiedene Equipagen<lb/>
geſchickt, um ſie in die vorzuͤglichſten Geſellſchaften<lb/>
abzuholen. Es gereicht wirklich den Herzen, wie dem<lb/>
Verſtande der edlen Berliner zur Ehre, daß ſie nicht<lb/>
zu ſtolz waren, weder der Dichterin ihren gemeinen<lb/>
Stand noch Anzug entgelten zu laſſen, ſondern ihr<lb/>
mit aller der Aufmerkſamkeit und Feinheit begegneten,<lb/>
welche ihrem Talente zukamen. Vorzuͤglich bemuͤhete<lb/>ſich der fuͤr die ſchoͤnen Wiſſenſchaften ſo warme Freund,<lb/>
der damalige noch junge Herr Doktor <hirendition="#fr">Kruͤnitz</hi> (jetzt<lb/>
beruͤhmter Verfaſſer der Encyklopaͤdie), der erſte zu<lb/>ſeyn, der es ſich zum Vergnuͤgen machte, ihr Freunde<lb/>
anzuwerben. Er fuͤhrte ſie in die Haͤuſer eines Oberkon-<lb/>ſiſtorialraths <hirendition="#fr">Koͤppen</hi>, eines Geheimerath <hirendition="#fr">Buchholz</hi>,<lb/>
Hofrath <hirendition="#fr">Stahl</hi>, Ober-Hofprediger <hirendition="#fr">Sack</hi>, Rektor<lb/><hirendition="#fr">Wippel</hi>, und mehrerer dergleichen, ein, wo ſie denn<lb/></p></div></body></text></TEI>
[88/0120]
Frauenzimmer nach gerade von der glaͤnzenden Buͤhne
abtreten, um jungen Schoͤnen fuͤr die Bewunderung
Platz zu machen, ward, trotz allen nur moͤglichſten
Leiden, durch welche die Dichterin bis zur dieſer Epo-
che gekommen war, der Zeitpunkt, wo ſie erſt auf-
bluͤhte, bemerkt und bewundert wurde.
Sobald man hoͤrte, die Karſchin ſey angekom-
men, ſo eiferte auch alles, was Geſchmack haben woll-
te, um die Wette, dieſes Wunder von Frau zu ſehen.
So buͤrgerlich ſie auch noch in den erſten Tagen ein-
her ging, ſo wurden ihr doch verſchiedene Equipagen
geſchickt, um ſie in die vorzuͤglichſten Geſellſchaften
abzuholen. Es gereicht wirklich den Herzen, wie dem
Verſtande der edlen Berliner zur Ehre, daß ſie nicht
zu ſtolz waren, weder der Dichterin ihren gemeinen
Stand noch Anzug entgelten zu laſſen, ſondern ihr
mit aller der Aufmerkſamkeit und Feinheit begegneten,
welche ihrem Talente zukamen. Vorzuͤglich bemuͤhete
ſich der fuͤr die ſchoͤnen Wiſſenſchaften ſo warme Freund,
der damalige noch junge Herr Doktor Kruͤnitz (jetzt
beruͤhmter Verfaſſer der Encyklopaͤdie), der erſte zu
ſeyn, der es ſich zum Vergnuͤgen machte, ihr Freunde
anzuwerben. Er fuͤhrte ſie in die Haͤuſer eines Oberkon-
ſiſtorialraths Koͤppen, eines Geheimerath Buchholz,
Hofrath Stahl, Ober-Hofprediger Sack, Rektor
Wippel, und mehrerer dergleichen, ein, wo ſie denn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/120>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.