der Einzige ward endlich zu seinen Vätern gesammlet. Die Sonne des neuen Monarchen ging so sanft und wohlthätig auf, daß alle Welt die Karschin aufmunter- te, die allgemeine Gnade zu benutzen; allein ihr fehlte Muth und Unbilligkeit; sie behauptete: der junge König hätte in seinen Staaten Tausende, welche durch Tha- ten fürs Vaterland auf Belohnung Anspruch machen könnten; die Dichter müßten die letzten seyn. Beson- ders hätte sie gar kein Recht zu des Monarchen Gna- de, weil er ihr nie etwas versprochen hätte. So blieb es eine Weile, indeß der König immermehr durch neue Huld einen Thron befestigte, welchen er sich in den Herzen seiner Unterthanen aufrichtete.
Eine verwittwete Freundin der Dichterin hatte ein Naturalienkabinet, welches sie mit guter Art zu ver- kaufen wünschte, weil es für sie ein unbrauchbarer Schatz war. Sie glaubte, daß vielleicht einer unter den Hoheiten der jungen Königlichen Familie es kau- fen würde, wenn man eine Vorsprache erhalten könn- te. Die Karschin machte sich den Wunsch ihrer Freun- din zum Anliegen; sie, welche für sich keine Bitte wa- gen wollte, suchte eilends den Weg zur Gnadenthür, sobald es darauf ankam, jemanden dienen zu können. Menschen zu dienen, und ihnen mit ihrer Gabe ge- fällig zu seyn, war überhaupt ihre feurigste Leiden- schaft. Wenn es darauf ankam, so ließ sie die noth-
der Einzige ward endlich zu ſeinen Vaͤtern geſammlet. Die Sonne des neuen Monarchen ging ſo ſanft und wohlthaͤtig auf, daß alle Welt die Karſchin aufmunter- te, die allgemeine Gnade zu benutzen; allein ihr fehlte Muth und Unbilligkeit; ſie behauptete: der junge Koͤnig haͤtte in ſeinen Staaten Tauſende, welche durch Tha- ten fuͤrs Vaterland auf Belohnung Anſpruch machen koͤnnten; die Dichter muͤßten die letzten ſeyn. Beſon- ders haͤtte ſie gar kein Recht zu des Monarchen Gna- de, weil er ihr nie etwas verſprochen haͤtte. So blieb es eine Weile, indeß der Koͤnig immermehr durch neue Huld einen Thron befeſtigte, welchen er ſich in den Herzen ſeiner Unterthanen aufrichtete.
Eine verwittwete Freundin der Dichterin hatte ein Naturalienkabinet, welches ſie mit guter Art zu ver- kaufen wuͤnſchte, weil es fuͤr ſie ein unbrauchbarer Schatz war. Sie glaubte, daß vielleicht einer unter den Hoheiten der jungen Koͤniglichen Familie es kau- fen wuͤrde, wenn man eine Vorſprache erhalten koͤnn- te. Die Karſchin machte ſich den Wunſch ihrer Freun- din zum Anliegen; ſie, welche fuͤr ſich keine Bitte wa- gen wollte, ſuchte eilends den Weg zur Gnadenthuͤr, ſobald es darauf ankam, jemanden dienen zu koͤnnen. Menſchen zu dienen, und ihnen mit ihrer Gabe ge- faͤllig zu ſeyn, war uͤberhaupt ihre feurigſte Leiden- ſchaft. Wenn es darauf ankam, ſo ließ ſie die noth-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0146"n="114"/>
der Einzige ward endlich zu ſeinen Vaͤtern geſammlet.<lb/>
Die Sonne des neuen Monarchen ging ſo ſanft und<lb/>
wohlthaͤtig auf, daß alle Welt die Karſchin aufmunter-<lb/>
te, die allgemeine Gnade zu benutzen; allein ihr fehlte<lb/>
Muth und Unbilligkeit; ſie behauptete: der junge Koͤnig<lb/>
haͤtte in ſeinen Staaten Tauſende, welche durch Tha-<lb/>
ten fuͤrs Vaterland auf Belohnung Anſpruch machen<lb/>
koͤnnten; die Dichter muͤßten die letzten ſeyn. Beſon-<lb/>
ders haͤtte ſie gar kein Recht zu des Monarchen Gna-<lb/>
de, weil er ihr nie etwas verſprochen haͤtte. So blieb<lb/>
es eine Weile, indeß der Koͤnig immermehr durch neue<lb/>
Huld einen Thron befeſtigte, welchen er ſich in den<lb/>
Herzen ſeiner Unterthanen aufrichtete.</p><lb/><p>Eine verwittwete Freundin der Dichterin hatte ein<lb/>
Naturalienkabinet, welches ſie mit guter Art zu ver-<lb/>
kaufen wuͤnſchte, weil es fuͤr ſie ein unbrauchbarer<lb/>
Schatz war. Sie glaubte, daß vielleicht einer unter<lb/>
den Hoheiten der jungen Koͤniglichen Familie es kau-<lb/>
fen wuͤrde, wenn man eine Vorſprache erhalten koͤnn-<lb/>
te. Die Karſchin machte ſich den Wunſch ihrer Freun-<lb/>
din zum Anliegen; ſie, welche fuͤr ſich keine Bitte wa-<lb/>
gen wollte, ſuchte eilends den Weg zur Gnadenthuͤr,<lb/>ſobald es darauf ankam, jemanden dienen zu koͤnnen.<lb/>
Menſchen zu dienen, und ihnen mit ihrer Gabe ge-<lb/>
faͤllig zu ſeyn, war uͤberhaupt ihre feurigſte Leiden-<lb/>ſchaft. Wenn es darauf ankam, ſo ließ ſie die noth-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[114/0146]
der Einzige ward endlich zu ſeinen Vaͤtern geſammlet.
Die Sonne des neuen Monarchen ging ſo ſanft und
wohlthaͤtig auf, daß alle Welt die Karſchin aufmunter-
te, die allgemeine Gnade zu benutzen; allein ihr fehlte
Muth und Unbilligkeit; ſie behauptete: der junge Koͤnig
haͤtte in ſeinen Staaten Tauſende, welche durch Tha-
ten fuͤrs Vaterland auf Belohnung Anſpruch machen
koͤnnten; die Dichter muͤßten die letzten ſeyn. Beſon-
ders haͤtte ſie gar kein Recht zu des Monarchen Gna-
de, weil er ihr nie etwas verſprochen haͤtte. So blieb
es eine Weile, indeß der Koͤnig immermehr durch neue
Huld einen Thron befeſtigte, welchen er ſich in den
Herzen ſeiner Unterthanen aufrichtete.
Eine verwittwete Freundin der Dichterin hatte ein
Naturalienkabinet, welches ſie mit guter Art zu ver-
kaufen wuͤnſchte, weil es fuͤr ſie ein unbrauchbarer
Schatz war. Sie glaubte, daß vielleicht einer unter
den Hoheiten der jungen Koͤniglichen Familie es kau-
fen wuͤrde, wenn man eine Vorſprache erhalten koͤnn-
te. Die Karſchin machte ſich den Wunſch ihrer Freun-
din zum Anliegen; ſie, welche fuͤr ſich keine Bitte wa-
gen wollte, ſuchte eilends den Weg zur Gnadenthuͤr,
ſobald es darauf ankam, jemanden dienen zu koͤnnen.
Menſchen zu dienen, und ihnen mit ihrer Gabe ge-
faͤllig zu ſeyn, war uͤberhaupt ihre feurigſte Leiden-
ſchaft. Wenn es darauf ankam, ſo ließ ſie die noth-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/146>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.