große glänzende Gesellschaft versammlet war. Ein Herr von stattlichem Ansehn, in schwarz sammtnen Kleide, woran ein Kreutz befestigt flimmerte, kam ihr entgegen und trat vor sie hin, indem er sie so anredete:
Freu' Dich, Deutschlands Dichterin! Freu' Dich hoch in Deinem Sinn; Der König hat befohlen mir, Ein neues Haus zu bauen Dir.
Es war Se. Excellenz, der Herr Minister von Wöllner*), welcher dieses Impromptü selbst ausge- dacht hatte, um sie dadurch desto angenehmer zu über- raschen. Die frohe Bestürzung der Dichterin bei dieser Anrede ist unmöglich zu beschreiben, und man thut besser, daß man sich dieselbe denkt. Sie kam nach Hause, vor Freude ganz matt, und Tages darauf ward aller Welt verkündigt, was da geschehn sollte. Alle Zeitungen wurden mit der für sie so eh- renvollen Nachricht erfüllt. Von allen Freunden der Muse ward der König für diese That gesegnet.
Das bestimmte Haus als Gnadengeschenk ward auf dem Haakschen Markt gebauet, wo es die eine Ecke von vier andern beschließt, welche den Eigen- thümern ebenfalls als Gnadengeschenke sind bewilliget worden. Das Haus selbst ward nur ein Häuschen,
*) Damals Geheimerath.
h 3
große glaͤnzende Geſellſchaft verſammlet war. Ein Herr von ſtattlichem Anſehn, in ſchwarz ſammtnen Kleide, woran ein Kreutz befeſtigt flimmerte, kam ihr entgegen und trat vor ſie hin, indem er ſie ſo anredete:
Freu’ Dich, Deutſchlands Dichterin! Freu’ Dich hoch in Deinem Sinn; Der Koͤnig hat befohlen mir, Ein neues Haus zu bauen Dir.
Es war Se. Excellenz, der Herr Miniſter von Woͤllner*), welcher dieſes Impromptuͤ ſelbſt ausge- dacht hatte, um ſie dadurch deſto angenehmer zu uͤber- raſchen. Die frohe Beſtuͤrzung der Dichterin bei dieſer Anrede iſt unmoͤglich zu beſchreiben, und man thut beſſer, daß man ſich dieſelbe denkt. Sie kam nach Hauſe, vor Freude ganz matt, und Tages darauf ward aller Welt verkuͤndigt, was da geſchehn ſollte. Alle Zeitungen wurden mit der fuͤr ſie ſo eh- renvollen Nachricht erfuͤllt. Von allen Freunden der Muſe ward der Koͤnig fuͤr dieſe That geſegnet.
Das beſtimmte Haus als Gnadengeſchenk ward auf dem Haakſchen Markt gebauet, wo es die eine Ecke von vier andern beſchließt, welche den Eigen- thuͤmern ebenfalls als Gnadengeſchenke ſind bewilliget worden. Das Haus ſelbſt ward nur ein Haͤuschen,
*) Damals Geheimerath.
h 3
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0149"n="117"/>
große glaͤnzende Geſellſchaft verſammlet war. Ein<lb/>
Herr von ſtattlichem Anſehn, in ſchwarz ſammtnen<lb/>
Kleide, woran ein Kreutz befeſtigt flimmerte, kam<lb/>
ihr entgegen und trat vor ſie hin, indem er ſie ſo<lb/>
anredete:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Freu’ Dich, Deutſchlands Dichterin!</l><lb/><l>Freu’ Dich hoch in Deinem Sinn;</l><lb/><l>Der Koͤnig hat befohlen mir,</l><lb/><l>Ein neues Haus zu bauen Dir.</l></lg><lb/><p>Es war Se. Excellenz, der Herr Miniſter <hirendition="#fr">von<lb/>
Woͤllner</hi><noteplace="foot"n="*)">Damals Geheimerath.</note>, welcher dieſes Impromptuͤſelbſt ausge-<lb/>
dacht hatte, um ſie dadurch deſto angenehmer zu uͤber-<lb/>
raſchen. Die frohe Beſtuͤrzung der Dichterin bei<lb/>
dieſer Anrede iſt unmoͤglich zu beſchreiben, und man<lb/>
thut beſſer, daß man ſich dieſelbe denkt. Sie kam<lb/>
nach Hauſe, vor Freude ganz matt, und Tages<lb/>
darauf ward aller Welt verkuͤndigt, was da geſchehn<lb/>ſollte. Alle Zeitungen wurden mit der fuͤr ſie ſo eh-<lb/>
renvollen Nachricht erfuͤllt. Von allen Freunden der<lb/>
Muſe ward der Koͤnig fuͤr dieſe That geſegnet.</p><lb/><p>Das beſtimmte Haus als Gnadengeſchenk ward<lb/>
auf dem Haakſchen Markt gebauet, wo es die eine<lb/>
Ecke von vier andern beſchließt, welche den Eigen-<lb/>
thuͤmern ebenfalls als Gnadengeſchenke ſind bewilliget<lb/>
worden. Das Haus ſelbſt ward nur ein Haͤuschen,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">h 3</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[117/0149]
große glaͤnzende Geſellſchaft verſammlet war. Ein
Herr von ſtattlichem Anſehn, in ſchwarz ſammtnen
Kleide, woran ein Kreutz befeſtigt flimmerte, kam
ihr entgegen und trat vor ſie hin, indem er ſie ſo
anredete:
Freu’ Dich, Deutſchlands Dichterin!
Freu’ Dich hoch in Deinem Sinn;
Der Koͤnig hat befohlen mir,
Ein neues Haus zu bauen Dir.
Es war Se. Excellenz, der Herr Miniſter von
Woͤllner *), welcher dieſes Impromptuͤ ſelbſt ausge-
dacht hatte, um ſie dadurch deſto angenehmer zu uͤber-
raſchen. Die frohe Beſtuͤrzung der Dichterin bei
dieſer Anrede iſt unmoͤglich zu beſchreiben, und man
thut beſſer, daß man ſich dieſelbe denkt. Sie kam
nach Hauſe, vor Freude ganz matt, und Tages
darauf ward aller Welt verkuͤndigt, was da geſchehn
ſollte. Alle Zeitungen wurden mit der fuͤr ſie ſo eh-
renvollen Nachricht erfuͤllt. Von allen Freunden der
Muſe ward der Koͤnig fuͤr dieſe That geſegnet.
Das beſtimmte Haus als Gnadengeſchenk ward
auf dem Haakſchen Markt gebauet, wo es die eine
Ecke von vier andern beſchließt, welche den Eigen-
thuͤmern ebenfalls als Gnadengeſchenke ſind bewilliget
worden. Das Haus ſelbſt ward nur ein Haͤuschen,
*) Damals Geheimerath.
h 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/149>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.