und nicht so ausgeführt, wie Jedermann der vorzüg- lichen Ankündigung gemäß es erwartet hatte; auch kamen die Allegorien der Musen in Vergessen- heit; allein sie hatte doch nun eine schön ausgebauete eigene Wohnung, und nach Abzug jährlicher Abgaben für Servis, Einquartirung u. d. gl. noch etwa hun- dert Thaler Ueberschuß. Freilich bekam dadurch ihr immer müder werdendes Alter noch keine Ruhe, da ihre beiden Kinder so schlecht versorgt waren, und zwei Kindeskinder von ihr Unterstützung verlangten; allein es war doch immer ein unerwartetes Glück für sie, und sie ward nicht müde, den besten König dafür zu loben. Kaum konnte sie's erwarten, ihr Königli- ches Musäum bald genug zu beziehn. Schon seit vielen Jahren her hatte sie gekränkelt, und ahndete, daß sie nicht lange mehr da seyn würde. Der Wunsch, noch einige Jahre in dem Hause zu leben, welches der beste König ihr zur Ehre, und Stütze des Alters hatte aufbauen lassen, war unglaublich, und sie be- zog es, als es eben ausgetüncht war. Man rieth ihr zwar, wenigstens noch ein Jahr zu warten, ehe sie bei ihrer großen Schwächlichkeit einzöge; allein sie folgte, wie immer, auch hier ihrem Willen. Dadurch nahm allerdings ihre Schwäche zu, welche sich in die Vorboten einer Abzehrung verwandelte. Wie hinfäl- lig aber auch ihr Körper ward, so blieb ihr Geist doch
und nicht ſo ausgefuͤhrt, wie Jedermann der vorzuͤg- lichen Ankuͤndigung gemaͤß es erwartet hatte; auch kamen die Allegorien der Muſen in Vergeſſen- heit; allein ſie hatte doch nun eine ſchoͤn ausgebauete eigene Wohnung, und nach Abzug jaͤhrlicher Abgaben fuͤr Servis, Einquartirung u. d. gl. noch etwa hun- dert Thaler Ueberſchuß. Freilich bekam dadurch ihr immer muͤder werdendes Alter noch keine Ruhe, da ihre beiden Kinder ſo ſchlecht verſorgt waren, und zwei Kindeskinder von ihr Unterſtuͤtzung verlangten; allein es war doch immer ein unerwartetes Gluͤck fuͤr ſie, und ſie ward nicht muͤde, den beſten Koͤnig dafuͤr zu loben. Kaum konnte ſie’s erwarten, ihr Koͤnigli- ches Muſaͤum bald genug zu beziehn. Schon ſeit vielen Jahren her hatte ſie gekraͤnkelt, und ahndete, daß ſie nicht lange mehr da ſeyn wuͤrde. Der Wunſch, noch einige Jahre in dem Hauſe zu leben, welches der beſte Koͤnig ihr zur Ehre, und Stuͤtze des Alters hatte aufbauen laſſen, war unglaublich, und ſie be- zog es, als es eben ausgetuͤncht war. Man rieth ihr zwar, wenigſtens noch ein Jahr zu warten, ehe ſie bei ihrer großen Schwaͤchlichkeit einzoͤge; allein ſie folgte, wie immer, auch hier ihrem Willen. Dadurch nahm allerdings ihre Schwaͤche zu, welche ſich in die Vorboten einer Abzehrung verwandelte. Wie hinfaͤl- lig aber auch ihr Koͤrper ward, ſo blieb ihr Geiſt doch
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und nicht ſo ausgefuͤhrt, wie Jedermann der vorzuͤg-
lichen Ankuͤndigung gemaͤß es erwartet hatte; auch
kamen die Allegorien der Muſen in Vergeſſen-
heit; allein ſie hatte doch nun eine ſchoͤn ausgebauete
eigene Wohnung, und nach Abzug jaͤhrlicher Abgaben
fuͤr Servis, Einquartirung u. d. gl. noch etwa hun-
dert Thaler Ueberſchuß. Freilich bekam dadurch ihr
immer muͤder werdendes Alter noch keine Ruhe, da
ihre beiden Kinder ſo ſchlecht verſorgt waren, und
zwei Kindeskinder von ihr Unterſtuͤtzung verlangten;
allein es war doch immer ein unerwartetes Gluͤck fuͤr
ſie, und ſie ward nicht muͤde, den beſten Koͤnig dafuͤr
zu loben. Kaum konnte ſie’s erwarten, ihr Koͤnigli-
ches Muſaͤum bald genug zu beziehn. Schon ſeit
vielen Jahren her hatte ſie gekraͤnkelt, und ahndete,
daß ſie nicht lange mehr da ſeyn wuͤrde. Der Wunſch,
noch einige Jahre in dem Hauſe zu leben, welches
der beſte Koͤnig ihr zur Ehre, und Stuͤtze des Alters
hatte aufbauen laſſen, war unglaublich, und ſie be-
zog es, als es eben ausgetuͤncht war. Man rieth ihr
zwar, wenigſtens noch ein Jahr zu warten, ehe ſie
bei ihrer großen Schwaͤchlichkeit einzoͤge; allein ſie
folgte, wie immer, auch hier ihrem Willen. Dadurch
nahm allerdings ihre Schwaͤche zu, welche ſich in die
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/150>, abgerufen am 21.11.2024.
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