Die von den Jahren nichts gelitten, Von acht und sechzig Jahren nichts -- Das ist besonders, wirst Du sagen; Doch nach der Bildung des Gesichts Scheinst Du, Herr Ritter, nicht zu fragen. Du liebst die Seele, die nicht stirbt, Wenn sich in der begrabnen Hülle Ein Mottenschwarm um Unterhalt bewirbt, Wenn eine kalte Schlummerstille Den Kopf bedeckt, der ehedem Gedanken ohne Zahl geboren, Und nun den Geist, der sie gedacht, verloren. Du liebst den Geist, das ist mir angenehm, Mehr als ein schwülstig Lobgedichte, Dieß glaube vest, und eile bald Mit einem deutlichen Berichte, Ob Du die drohende Gewalt Des Ritter Zimmermans verhöhntest? Und Deinen Helm, und Deinen Schild Mit frischerworbnem Lorbeer kröntest. Dafür verheiß ich Dir mein Bild Als einen Dank, noch eh die Traube Sich in der Kelter pressen läßt, Und Jacobs Enkel eine Laube Sich bauen zum Gedächtnißfest.
Die von den Jahren nichts gelitten, Von acht und ſechzig Jahren nichts — Das iſt beſonders, wirſt Du ſagen; Doch nach der Bildung des Geſichts Scheinſt Du, Herr Ritter, nicht zu fragen. Du liebſt die Seele, die nicht ſtirbt, Wenn ſich in der begrabnen Huͤlle Ein Mottenſchwarm um Unterhalt bewirbt, Wenn eine kalte Schlummerſtille Den Kopf bedeckt, der ehedem Gedanken ohne Zahl geboren, Und nun den Geiſt, der ſie gedacht, verloren. Du liebſt den Geiſt, das iſt mir angenehm, Mehr als ein ſchwuͤlſtig Lobgedichte, Dieß glaube veſt, und eile bald Mit einem deutlichen Berichte, Ob Du die drohende Gewalt Des Ritter Zimmermans verhoͤhnteſt? Und Deinen Helm, und Deinen Schild Mit friſcherworbnem Lorbeer kroͤnteſt. Dafuͤr verheiß ich Dir mein Bild Als einen Dank, noch eh die Traube Sich in der Kelter preſſen laͤßt, Und Jacobs Enkel eine Laube Sich bauen zum Gedaͤchtnißfeſt.
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Die von den Jahren nichts gelitten,
Von acht und ſechzig Jahren nichts —
Das iſt beſonders, wirſt Du ſagen;
Doch nach der Bildung des Geſichts
Scheinſt Du, Herr Ritter, nicht zu fragen.
Du liebſt die Seele, die nicht ſtirbt,
Wenn ſich in der begrabnen Huͤlle
Ein Mottenſchwarm um Unterhalt bewirbt,
Wenn eine kalte Schlummerſtille
Den Kopf bedeckt, der ehedem
Gedanken ohne Zahl geboren,
Und nun den Geiſt, der ſie gedacht, verloren.
Du liebſt den Geiſt, das iſt mir angenehm,
Mehr als ein ſchwuͤlſtig Lobgedichte,
Dieß glaube veſt, und eile bald
Mit einem deutlichen Berichte,
Ob Du die drohende Gewalt
Des Ritter Zimmermans verhoͤhnteſt?
Und Deinen Helm, und Deinen Schild
Mit friſcherworbnem Lorbeer kroͤnteſt.
Dafuͤr verheiß ich Dir mein Bild
Als einen Dank, noch eh die Traube
Sich in der Kelter preſſen laͤßt,
Und Jacobs Enkel eine Laube
Sich bauen zum Gedaͤchtnißfeſt.
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/318>, abgerufen am 22.11.2024.
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