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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

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In großen Ritzen, aufzutrinken den salzigen Strom
ihrer Augen.
Dazumal rieselten kleine Bäche in dem Herzen der
Phillis
Und zween kostbare Thränen, gleich den Thautropfen,
Die auf Rosen zittern, flossen auf den Aurorfarbnen
Wangen nieder in ihren Lilienbusen. Hülfreich bot sie
Ihre Rechte der mattgeächzten Hirtin, und führte sie
Zurück. Ihre Kinder wankten um sie her. So kommen
Nach einem Wolkenbrechenden Platzregen unvermö-
gende
Blökende Lämmer hinter den Schaafmüttern, und
tragen
Den Tod in erstarreten Knöcheln. Jezt waren Phillis
Und die Verlaßnen in einer armseligen Hütte.

Sie zog aus ihrer Tasche hervor, Feigen, und Rosinen
Und zween erquickende Aepfel, und stärkte mit Reden
Der Weisheit das verzweifelnde Weib, und ging von ihr,
Um das Herz der besten Schäfer zum Mitleid
Gegen die Bedürftige zu schmelzen. Ein so edler Vorsatz
Gelung ihr. Die Schäfer gaben zusammen, und Phillis
Vergaß nicht beizulegen ihr Theil zum Unterhalt
Derer, die alles verloren hatten. Unsere Vorfahren
Haben erzählet von einem Lautenspieler, der die Wellen
Und die Meerfische horchend gemacht. Deine Geliebte,

In großen Ritzen, aufzutrinken den ſalzigen Strom
ihrer Augen.
Dazumal rieſelten kleine Baͤche in dem Herzen der
Phillis
Und zween koſtbare Thraͤnen, gleich den Thautropfen,
Die auf Roſen zittern, floſſen auf den Aurorfarbnen
Wangen nieder in ihren Lilienbuſen. Huͤlfreich bot ſie
Ihre Rechte der mattgeaͤchzten Hirtin, und fuͤhrte ſie
Zuruͤck. Ihre Kinder wankten um ſie her. So kommen
Nach einem Wolkenbrechenden Platzregen unvermoͤ-
gende
Bloͤkende Laͤmmer hinter den Schaafmuͤttern, und
tragen
Den Tod in erſtarreten Knoͤcheln. Jezt waren Phillis
Und die Verlaßnen in einer armſeligen Huͤtte.

Sie zog aus ihrer Taſche hervor, Feigen, und Roſinen
Und zween erquickende Aepfel, und ſtaͤrkte mit Reden
Der Weisheit das verzweifelnde Weib, und ging von ihr,
Um das Herz der beſten Schaͤfer zum Mitleid
Gegen die Beduͤrftige zu ſchmelzen. Ein ſo edler Vorſatz
Gelung ihr. Die Schaͤfer gaben zuſammen, und Phillis
Vergaß nicht beizulegen ihr Theil zum Unterhalt
Derer, die alles verloren hatten. Unſere Vorfahren
Haben erzaͤhlet von einem Lautenſpieler, der die Wellen
Und die Meerfiſche horchend gemacht. Deine Geliebte,
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[283/0443] In großen Ritzen, aufzutrinken den ſalzigen Strom ihrer Augen. Dazumal rieſelten kleine Baͤche in dem Herzen der Phillis Und zween koſtbare Thraͤnen, gleich den Thautropfen, Die auf Roſen zittern, floſſen auf den Aurorfarbnen Wangen nieder in ihren Lilienbuſen. Huͤlfreich bot ſie Ihre Rechte der mattgeaͤchzten Hirtin, und fuͤhrte ſie Zuruͤck. Ihre Kinder wankten um ſie her. So kommen Nach einem Wolkenbrechenden Platzregen unvermoͤ- gende Bloͤkende Laͤmmer hinter den Schaafmuͤttern, und tragen Den Tod in erſtarreten Knoͤcheln. Jezt waren Phillis Und die Verlaßnen in einer armſeligen Huͤtte. Sie zog aus ihrer Taſche hervor, Feigen, und Roſinen Und zween erquickende Aepfel, und ſtaͤrkte mit Reden Der Weisheit das verzweifelnde Weib, und ging von ihr, Um das Herz der beſten Schaͤfer zum Mitleid Gegen die Beduͤrftige zu ſchmelzen. Ein ſo edler Vorſatz Gelung ihr. Die Schaͤfer gaben zuſammen, und Phillis Vergaß nicht beizulegen ihr Theil zum Unterhalt Derer, die alles verloren hatten. Unſere Vorfahren Haben erzaͤhlet von einem Lautenſpieler, der die Wellen Und die Meerfiſche horchend gemacht. Deine Geliebte,

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Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/443>, abgerufen am 25.11.2024.