Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
Bald nehm ichs heimlich vor, mein Herz halb abzu-
trennen
Von dem Undankbaren, nicht mehr für ihn zu
brennen,
Und ärgern soll er sich alsdann,
Wenn ihn, den oft mein Lied zu Göttern hat erhoben,
Wenn ihn nicht mein Gesang wird loben.
Doch jezt empöret sich in mir mein Herz zu sehr:
Graf! sag ihm nichts von Zorn, ich zürne schon nicht
mehr.


Wollen Sollen Rollen Kleid Gequollen Möglichkeit
Aufgeschwollen Wiederrollen Zollen Zeit.



Eigenschaften der Sapho.


Nicht immer will ich so, wie andre Leute wollen,
Die nicht Gesetze geben sollen
Der Sapho, der Empfindungsvollen,
Die um den schönen Geist nicht trägt ein schönes Kleid,
Der in den Adern ist ein Dichter-Quell gequollen
Zu aller Lieder Möglichkeit,
Der hoch von Zärtlichkeit der Busen aufgeschwollen,
Die aus den Augen oft läßt Thränen nieder rollen,
Bald nehm ichs heimlich vor, mein Herz halb abzu-
trennen
Von dem Undankbaren, nicht mehr fuͤr ihn zu
brennen,
Und aͤrgern ſoll er ſich alsdann,
Wenn ihn, den oft mein Lied zu Goͤttern hat erhoben,
Wenn ihn nicht mein Geſang wird loben.
Doch jezt empoͤret ſich in mir mein Herz zu ſehr:
Graf! ſag ihm nichts von Zorn, ich zuͤrne ſchon nicht
mehr.


Wollen Sollen Rollen Kleid Gequollen Moͤglichkeit
Aufgeſchwollen Wiederrollen Zollen Zeit.



Eigenſchaften der Sapho.


Nicht immer will ich ſo, wie andre Leute wollen,
Die nicht Geſetze geben ſollen
Der Sapho, der Empfindungsvollen,
Die um den ſchoͤnen Geiſt nicht traͤgt ein ſchoͤnes Kleid,
Der in den Adern iſt ein Dichter-Quell gequollen
Zu aller Lieder Moͤglichkeit,
Der hoch von Zaͤrtlichkeit der Buſen aufgeſchwollen,
Die aus den Augen oft laͤßt Thraͤnen nieder rollen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <lg type="poem">
                <pb facs="#f0476" n="316"/>
                <l>Bald nehm ichs heimlich vor, mein Herz halb abzu-</l><lb/>
                <l>trennen</l><lb/>
                <l>Von dem Undankbaren, nicht mehr fu&#x0364;r ihn zu</l><lb/>
                <l>brennen,</l><lb/>
                <l>Und a&#x0364;rgern &#x017F;oll er &#x017F;ich alsdann,</l><lb/>
                <l>Wenn ihn, den oft mein Lied zu Go&#x0364;ttern hat erhoben,</l><lb/>
                <l>Wenn ihn nicht mein Ge&#x017F;ang wird loben.</l><lb/>
                <l>Doch jezt empo&#x0364;ret &#x017F;ich in mir mein Herz zu &#x017F;ehr:</l><lb/>
                <l>Graf! &#x017F;ag ihm nichts von Zorn, ich zu&#x0364;rne &#x017F;chon nicht</l><lb/>
                <l>mehr.</l>
              </lg>
            </div>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <p>Wollen Sollen Rollen Kleid Gequollen Mo&#x0364;glichkeit<lb/>
Aufge&#x017F;chwollen Wiederrollen Zollen Zeit.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Eigen&#x017F;chaften der Sapho</hi>.</hi> </head><lb/>
              <dateline> <hi rendition="#c">Halber&#x017F;tadt, den 19. Februar 1762.</hi> </dateline><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">N</hi>icht immer will ich &#x017F;o, wie andre Leute wollen,</l><lb/>
                <l>Die nicht Ge&#x017F;etze geben &#x017F;ollen</l><lb/>
                <l>Der Sapho, der Empfindungsvollen,</l><lb/>
                <l>Die um den &#x017F;cho&#x0364;nen Gei&#x017F;t nicht tra&#x0364;gt ein &#x017F;cho&#x0364;nes Kleid,</l><lb/>
                <l>Der in den Adern i&#x017F;t ein Dichter-Quell gequollen</l><lb/>
                <l>Zu aller Lieder Mo&#x0364;glichkeit,</l><lb/>
                <l>Der hoch von Za&#x0364;rtlichkeit der Bu&#x017F;en aufge&#x017F;chwollen,</l><lb/>
                <l>Die aus den Augen oft la&#x0364;ßt Thra&#x0364;nen nieder rollen,</l><lb/>
              </lg>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0476] Bald nehm ichs heimlich vor, mein Herz halb abzu- trennen Von dem Undankbaren, nicht mehr fuͤr ihn zu brennen, Und aͤrgern ſoll er ſich alsdann, Wenn ihn, den oft mein Lied zu Goͤttern hat erhoben, Wenn ihn nicht mein Geſang wird loben. Doch jezt empoͤret ſich in mir mein Herz zu ſehr: Graf! ſag ihm nichts von Zorn, ich zuͤrne ſchon nicht mehr. Wollen Sollen Rollen Kleid Gequollen Moͤglichkeit Aufgeſchwollen Wiederrollen Zollen Zeit. Eigenſchaften der Sapho. Halberſtadt, den 19. Februar 1762. Nicht immer will ich ſo, wie andre Leute wollen, Die nicht Geſetze geben ſollen Der Sapho, der Empfindungsvollen, Die um den ſchoͤnen Geiſt nicht traͤgt ein ſchoͤnes Kleid, Der in den Adern iſt ein Dichter-Quell gequollen Zu aller Lieder Moͤglichkeit, Der hoch von Zaͤrtlichkeit der Buſen aufgeſchwollen, Die aus den Augen oft laͤßt Thraͤnen nieder rollen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/476
Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/476>, abgerufen am 22.11.2024.