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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

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ihrer Mutter den Vorschlag, daß er sie mit seiner
Schwester zugleich mitnehmen wollte. Die Mutter
willigte mit frohem Herzen ein.

Seine kleine Nichte gewann ihren Großonkel so-
gleich von ganzer Seele lieb, und je feiner er mit ihr
umging, je öftrer er mit ihr Gespräche führte, je ver-
traulicher wurde sie zu seinem Unterrichte. Jezt wurde
sie gleichsam erst wach für ihr Leben, denn jezt erst
lernte sie durch die Gegenstände, welche die Lehren ih-
res Oheims ihrem Verstande zum Wirken gaben, den-
ken und empfinden. Sie konnte halb buchstabiren, als
er sie zu sich nahm, und in weniger als einen Monat
hatte sie von ihm lesen gelernt. Sobald sie dies
konnte, wurden ihre Begriffe zu Feuersunken, welche
sich an alles hefteten, was ihnen Nahrung geben konn-
te. Sie bekam eine unaufhörliche Neigung zu den
Büchern und lag halbe Tage lang auf der Bibel mit
ihren Augen wie angeheftet. Am Abend sagte sie ih-
rem lieben Oheim ganze Stellen daraus vor, welche
ihr durch bloßes Lesen im Gedächtniß geblieben waren,
und ihr Vetter machte sichs zum Vergnügen, ihr
Stunden lang Erklärungen über die gelesenen Stellen
zu geben.

Ihr Lieblingsstudium wurde das Buch der Mak-
kabäer. Das Heldenmuster des Judas Makkabäus
gab ihrem Geiste die stärkste Nahrung, weil dieser am

liebsten

ihrer Mutter den Vorſchlag, daß er ſie mit ſeiner
Schweſter zugleich mitnehmen wollte. Die Mutter
willigte mit frohem Herzen ein.

Seine kleine Nichte gewann ihren Großonkel ſo-
gleich von ganzer Seele lieb, und je feiner er mit ihr
umging, je oͤftrer er mit ihr Geſpraͤche fuͤhrte, je ver-
traulicher wurde ſie zu ſeinem Unterrichte. Jezt wurde
ſie gleichſam erſt wach fuͤr ihr Leben, denn jezt erſt
lernte ſie durch die Gegenſtaͤnde, welche die Lehren ih-
res Oheims ihrem Verſtande zum Wirken gaben, den-
ken und empfinden. Sie konnte halb buchſtabiren, als
er ſie zu ſich nahm, und in weniger als einen Monat
hatte ſie von ihm leſen gelernt. Sobald ſie dies
konnte, wurden ihre Begriffe zu Feuerſunken, welche
ſich an alles hefteten, was ihnen Nahrung geben konn-
te. Sie bekam eine unaufhoͤrliche Neigung zu den
Buͤchern und lag halbe Tage lang auf der Bibel mit
ihren Augen wie angeheftet. Am Abend ſagte ſie ih-
rem lieben Oheim ganze Stellen daraus vor, welche
ihr durch bloßes Leſen im Gedaͤchtniß geblieben waren,
und ihr Vetter machte ſichs zum Vergnuͤgen, ihr
Stunden lang Erklaͤrungen uͤber die geleſenen Stellen
zu geben.

Ihr Lieblingsſtudium wurde das Buch der Mak-
kabaͤer. Das Heldenmuſter des Judas Makkabaͤus
gab ihrem Geiſte die ſtaͤrkſte Nahrung, weil dieſer am

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[16/0048] ihrer Mutter den Vorſchlag, daß er ſie mit ſeiner Schweſter zugleich mitnehmen wollte. Die Mutter willigte mit frohem Herzen ein. Seine kleine Nichte gewann ihren Großonkel ſo- gleich von ganzer Seele lieb, und je feiner er mit ihr umging, je oͤftrer er mit ihr Geſpraͤche fuͤhrte, je ver- traulicher wurde ſie zu ſeinem Unterrichte. Jezt wurde ſie gleichſam erſt wach fuͤr ihr Leben, denn jezt erſt lernte ſie durch die Gegenſtaͤnde, welche die Lehren ih- res Oheims ihrem Verſtande zum Wirken gaben, den- ken und empfinden. Sie konnte halb buchſtabiren, als er ſie zu ſich nahm, und in weniger als einen Monat hatte ſie von ihm leſen gelernt. Sobald ſie dies konnte, wurden ihre Begriffe zu Feuerſunken, welche ſich an alles hefteten, was ihnen Nahrung geben konn- te. Sie bekam eine unaufhoͤrliche Neigung zu den Buͤchern und lag halbe Tage lang auf der Bibel mit ihren Augen wie angeheftet. Am Abend ſagte ſie ih- rem lieben Oheim ganze Stellen daraus vor, welche ihr durch bloßes Leſen im Gedaͤchtniß geblieben waren, und ihr Vetter machte ſichs zum Vergnuͤgen, ihr Stunden lang Erklaͤrungen uͤber die geleſenen Stellen zu geben. Ihr Lieblingsſtudium wurde das Buch der Mak- kabaͤer. Das Heldenmuſter des Judas Makkabaͤus gab ihrem Geiſte die ſtaͤrkſte Nahrung, weil dieſer am liebſten

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Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/48>, abgerufen am 21.11.2024.