sches Kind zur Welt gekommen und nachher der schönste Knabe und Jüngling im Städtchen gewesen seyn. Das Aeußere, welches sogleich zu empfehlen pflegt, machte auch Eindruck auf die Dichterin, und sie hef- tete ihre zärtlichsten Neigungen auf diesen ihren Stief- bruder, ob er gleich noch vor seiner Geburt die Ursach war, daß sie an ihren geistigen Fortschritten gehindert wurde, so wie er in der Folge die Sorgenquelle ihrer letzten dreißig sonst goldenen Jahre geworden ist.
Nachdem dieser Mensch etwa ein Jahr alt war, geschah ihrem Hause ein Unfall, welcher den Wohl- stand der ganzen Familie umstürzte. Ihr Stiefvater Hempel, welcher ein Pächter und Jäger war, und ein aufbrausendes brutales Wesen hatte, konnte sich nicht, wie sein Vorfahr, der Brauer Dürbach, in die Gesellschaft der Gaststube schicken. Wenn er die ge- meinen Reisenden noch von fern sah angewandert kommen, so schmählte er schon auf sie, und begegnete ihnen verächtlich, wenn er sie bedienen sollte. Dieses kam bald zu den Ohren der Herrschaft, und ein junger Krüger im adelichen Dorfe, welcher längst einen Wunsch nach der Pacht des Hammers gehabt hatte, machte sich die Brutalität des neuen Pächters zu Nutze, und pachtete ihn bei der Herrschaft aus. Die Eltern der jungen Dürbach wurden also aus ihrem ersten Wohn- orte verdrängt, wo sie funfzehn Jahr so geseegnet wa-
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ſches Kind zur Welt gekommen und nachher der ſchoͤnſte Knabe und Juͤngling im Staͤdtchen geweſen ſeyn. Das Aeußere, welches ſogleich zu empfehlen pflegt, machte auch Eindruck auf die Dichterin, und ſie hef- tete ihre zaͤrtlichſten Neigungen auf dieſen ihren Stief- bruder, ob er gleich noch vor ſeiner Geburt die Urſach war, daß ſie an ihren geiſtigen Fortſchritten gehindert wurde, ſo wie er in der Folge die Sorgenquelle ihrer letzten dreißig ſonſt goldenen Jahre geworden iſt.
Nachdem dieſer Menſch etwa ein Jahr alt war, geſchah ihrem Hauſe ein Unfall, welcher den Wohl- ſtand der ganzen Familie umſtuͤrzte. Ihr Stiefvater Hempel, welcher ein Paͤchter und Jaͤger war, und ein aufbrauſendes brutales Weſen hatte, konnte ſich nicht, wie ſein Vorfahr, der Brauer Duͤrbach, in die Geſellſchaft der Gaſtſtube ſchicken. Wenn er die ge- meinen Reiſenden noch von fern ſah angewandert kommen, ſo ſchmaͤhlte er ſchon auf ſie, und begegnete ihnen veraͤchtlich, wenn er ſie bedienen ſollte. Dieſes kam bald zu den Ohren der Herrſchaft, und ein junger Kruͤger im adelichen Dorfe, welcher laͤngſt einen Wunſch nach der Pacht des Hammers gehabt hatte, machte ſich die Brutalitaͤt des neuen Paͤchters zu Nutze, und pachtete ihn bei der Herrſchaft aus. Die Eltern der jungen Duͤrbach wurden alſo aus ihrem erſten Wohn- orte verdraͤngt, wo ſie funfzehn Jahr ſo geſeegnet wa-
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ſches Kind zur Welt gekommen und nachher der ſchoͤnſte
Knabe und Juͤngling im Staͤdtchen geweſen ſeyn.
Das Aeußere, welches ſogleich zu empfehlen pflegt,
machte auch Eindruck auf die Dichterin, und ſie hef-
tete ihre zaͤrtlichſten Neigungen auf dieſen ihren Stief-
bruder, ob er gleich noch vor ſeiner Geburt die Urſach
war, daß ſie an ihren geiſtigen Fortſchritten gehindert
wurde, ſo wie er in der Folge die Sorgenquelle ihrer
letzten dreißig ſonſt goldenen Jahre geworden iſt.
Nachdem dieſer Menſch etwa ein Jahr alt war,
geſchah ihrem Hauſe ein Unfall, welcher den Wohl-
ſtand der ganzen Familie umſtuͤrzte. Ihr Stiefvater
Hempel, welcher ein Paͤchter und Jaͤger war, und
ein aufbrauſendes brutales Weſen hatte, konnte ſich
nicht, wie ſein Vorfahr, der Brauer Duͤrbach, in die
Geſellſchaft der Gaſtſtube ſchicken. Wenn er die ge-
meinen Reiſenden noch von fern ſah angewandert
kommen, ſo ſchmaͤhlte er ſchon auf ſie, und begegnete
ihnen veraͤchtlich, wenn er ſie bedienen ſollte. Dieſes
kam bald zu den Ohren der Herrſchaft, und ein junger
Kruͤger im adelichen Dorfe, welcher laͤngſt einen Wunſch
nach der Pacht des Hammers gehabt hatte, machte
ſich die Brutalitaͤt des neuen Paͤchters zu Nutze, und
pachtete ihn bei der Herrſchaft aus. Die Eltern der
jungen Duͤrbach wurden alſo aus ihrem erſten Wohn-
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/53>, abgerufen am 21.11.2024.
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