in Flechten aufgeschlagen. Statt des Kranzes trug sie nach damaliger Sitte eine kleine Fontange von Spitzen, welche auf ein goldenes Läppchen getollet waren. Ueber einen großen Fischbeinrock blähete sich der Brautrock von schwarzer Charge. Den schmalen Leib zierte ein Kamisölchen vom nehmlichen Zeuge, ein goldner Latz schimmerte vor der Brust, und goldge- stickte Pantoffeln, nebst rothen Strümpfen mit bunten Zwickeln paradirten an den Füßen; weiße zwirnene Handschuh und ein kleiner Zobelmuff schmückten die feine Hand. So stand sie vor dem Traualtar, wo sie für einen unglücklichen Ehestand eingeseegnet wurde.
Nach dreytägiger Hochzeitfeyer wurde sie von ih- rem Manne heimgeführt, und in ihr Joch gespannt. Sobald er sie ganz allein in seiner Gewalt hatte, warf er die Larve ab, und ließ es durch den unerträglichsten Geitz ihr empfinden, daß er in Absicht der Mitgabe sich betrogen hatte; denn sie hatte wirklich nichts mit- bekommen, als eine Ausstattung von etwas Schmuck, Kleidern und Hausgeräthe, und statt der eingebilde- ten tausend Reichsthaler nur hundert. Darzu kam, daß sie wegen ihrer großen Jugend und Vergeßlich- keit noch ganz unerfahren in der Wirthschaft war, und daß selbst ihre Bereitwilligkeit und ihr strengster Gehorsam in ihren Pflichten kein Verdienst an ihr schienen, weil ihr die Wirthschaftlichkeit ganz und gar
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in Flechten aufgeſchlagen. Statt des Kranzes trug ſie nach damaliger Sitte eine kleine Fontange von Spitzen, welche auf ein goldenes Laͤppchen getollet waren. Ueber einen großen Fiſchbeinrock blaͤhete ſich der Brautrock von ſchwarzer Charge. Den ſchmalen Leib zierte ein Kamiſoͤlchen vom nehmlichen Zeuge, ein goldner Latz ſchimmerte vor der Bruſt, und goldge- ſtickte Pantoffeln, nebſt rothen Struͤmpfen mit bunten Zwickeln paradirten an den Fuͤßen; weiße zwirnene Handſchuh und ein kleiner Zobelmuff ſchmuͤckten die feine Hand. So ſtand ſie vor dem Traualtar, wo ſie fuͤr einen ungluͤcklichen Eheſtand eingeſeegnet wurde.
Nach dreytaͤgiger Hochzeitfeyer wurde ſie von ih- rem Manne heimgefuͤhrt, und in ihr Joch geſpannt. Sobald er ſie ganz allein in ſeiner Gewalt hatte, warf er die Larve ab, und ließ es durch den unertraͤglichſten Geitz ihr empfinden, daß er in Abſicht der Mitgabe ſich betrogen hatte; denn ſie hatte wirklich nichts mit- bekommen, als eine Ausſtattung von etwas Schmuck, Kleidern und Hausgeraͤthe, und ſtatt der eingebilde- ten tauſend Reichsthaler nur hundert. Darzu kam, daß ſie wegen ihrer großen Jugend und Vergeßlich- keit noch ganz unerfahren in der Wirthſchaft war, und daß ſelbſt ihre Bereitwilligkeit und ihr ſtrengſter Gehorſam in ihren Pflichten kein Verdienſt an ihr ſchienen, weil ihr die Wirthſchaftlichkeit ganz und gar
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[41/0073]
in Flechten aufgeſchlagen. Statt des Kranzes trug
ſie nach damaliger Sitte eine kleine Fontange von
Spitzen, welche auf ein goldenes Laͤppchen getollet
waren. Ueber einen großen Fiſchbeinrock blaͤhete ſich
der Brautrock von ſchwarzer Charge. Den ſchmalen
Leib zierte ein Kamiſoͤlchen vom nehmlichen Zeuge, ein
goldner Latz ſchimmerte vor der Bruſt, und goldge-
ſtickte Pantoffeln, nebſt rothen Struͤmpfen mit bunten
Zwickeln paradirten an den Fuͤßen; weiße zwirnene
Handſchuh und ein kleiner Zobelmuff ſchmuͤckten die
feine Hand. So ſtand ſie vor dem Traualtar, wo ſie
fuͤr einen ungluͤcklichen Eheſtand eingeſeegnet wurde.
Nach dreytaͤgiger Hochzeitfeyer wurde ſie von ih-
rem Manne heimgefuͤhrt, und in ihr Joch geſpannt.
Sobald er ſie ganz allein in ſeiner Gewalt hatte, warf
er die Larve ab, und ließ es durch den unertraͤglichſten
Geitz ihr empfinden, daß er in Abſicht der Mitgabe
ſich betrogen hatte; denn ſie hatte wirklich nichts mit-
bekommen, als eine Ausſtattung von etwas Schmuck,
Kleidern und Hausgeraͤthe, und ſtatt der eingebilde-
ten tauſend Reichsthaler nur hundert. Darzu kam,
daß ſie wegen ihrer großen Jugend und Vergeßlich-
keit noch ganz unerfahren in der Wirthſchaft war,
und daß ſelbſt ihre Bereitwilligkeit und ihr ſtrengſter
Gehorſam in ihren Pflichten kein Verdienſt an ihr
ſchienen, weil ihr die Wirthſchaftlichkeit ganz und gar
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/73>, abgerufen am 21.11.2024.
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