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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792.

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jenige, was er ersparen wollte, ihren Bedürfnissen ab-
zog; denn er gab ihr weder recht satt zu essen noch zu
trinken. Oft, wenn sie in ihren glücklichen Tagen den
Wein nicht genießen konnte, welcher ihr überflüßig
angeboten wurde, erinnerte sie sich jenes darbenden
Zustandes, wo sie als Amme ihrer Kinder oft nach
einem Trunk Bier hat schmachten müssen, welches ihr
harter Mann vor ihren Augen trank, ohne ihr etwas
davon anzubieten. Durch diese Härte verleitete er sie,
daß sie ihm dann und wann kleine Münze zu entwen-
den suchte, damit sie sich, wenn er etwa ausginge,
heimlich Bier holen und ihren Durst laben konnte;
welches dann zu andern Unordnungen und Unruhen
Anlaß gab, weil ihm nichts verborgen blieb, und weil
sie auch durchaus keine Heimlichkeit verbergen konnte,
und dieselbe schon durch ihre schüchternen Mienen
verrieth.

Von ihrer guten Schwiegermutter, welche im näch-
sten Hause wohnte, ward sie oft erquickt und unter-
stützt, aber auch das mußte heimlich geschehen, weil er
mit seinen Eltern so hart umging, wie mit seiner Frau.
Klagen und Vermahnungen halfen bei ihm nicht, er
wußte als Mann und Hausvater sich immer mit sei-
nem Haberecht zu beschönigen und auszureden; allein
sie beklagte sich auch gegen niemand, weil sie nicht
wußte, ob ihr Schicksal je anders seyn könnte? Selbst

jenige, was er erſparen wollte, ihren Beduͤrfniſſen ab-
zog; denn er gab ihr weder recht ſatt zu eſſen noch zu
trinken. Oft, wenn ſie in ihren gluͤcklichen Tagen den
Wein nicht genießen konnte, welcher ihr uͤberfluͤßig
angeboten wurde, erinnerte ſie ſich jenes darbenden
Zuſtandes, wo ſie als Amme ihrer Kinder oft nach
einem Trunk Bier hat ſchmachten muͤſſen, welches ihr
harter Mann vor ihren Augen trank, ohne ihr etwas
davon anzubieten. Durch dieſe Haͤrte verleitete er ſie,
daß ſie ihm dann und wann kleine Muͤnze zu entwen-
den ſuchte, damit ſie ſich, wenn er etwa ausginge,
heimlich Bier holen und ihren Durſt laben konnte;
welches dann zu andern Unordnungen und Unruhen
Anlaß gab, weil ihm nichts verborgen blieb, und weil
ſie auch durchaus keine Heimlichkeit verbergen konnte,
und dieſelbe ſchon durch ihre ſchuͤchternen Mienen
verrieth.

Von ihrer guten Schwiegermutter, welche im naͤch-
ſten Hauſe wohnte, ward ſie oft erquickt und unter-
ſtuͤtzt, aber auch das mußte heimlich geſchehen, weil er
mit ſeinen Eltern ſo hart umging, wie mit ſeiner Frau.
Klagen und Vermahnungen halfen bei ihm nicht, er
wußte als Mann und Hausvater ſich immer mit ſei-
nem Haberecht zu beſchoͤnigen und auszureden; allein
ſie beklagte ſich auch gegen niemand, weil ſie nicht
wußte, ob ihr Schickſal je anders ſeyn koͤnnte? Selbſt

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[45/0077] jenige, was er erſparen wollte, ihren Beduͤrfniſſen ab- zog; denn er gab ihr weder recht ſatt zu eſſen noch zu trinken. Oft, wenn ſie in ihren gluͤcklichen Tagen den Wein nicht genießen konnte, welcher ihr uͤberfluͤßig angeboten wurde, erinnerte ſie ſich jenes darbenden Zuſtandes, wo ſie als Amme ihrer Kinder oft nach einem Trunk Bier hat ſchmachten muͤſſen, welches ihr harter Mann vor ihren Augen trank, ohne ihr etwas davon anzubieten. Durch dieſe Haͤrte verleitete er ſie, daß ſie ihm dann und wann kleine Muͤnze zu entwen- den ſuchte, damit ſie ſich, wenn er etwa ausginge, heimlich Bier holen und ihren Durſt laben konnte; welches dann zu andern Unordnungen und Unruhen Anlaß gab, weil ihm nichts verborgen blieb, und weil ſie auch durchaus keine Heimlichkeit verbergen konnte, und dieſelbe ſchon durch ihre ſchuͤchternen Mienen verrieth. Von ihrer guten Schwiegermutter, welche im naͤch- ſten Hauſe wohnte, ward ſie oft erquickt und unter- ſtuͤtzt, aber auch das mußte heimlich geſchehen, weil er mit ſeinen Eltern ſo hart umging, wie mit ſeiner Frau. Klagen und Vermahnungen halfen bei ihm nicht, er wußte als Mann und Hausvater ſich immer mit ſei- nem Haberecht zu beſchoͤnigen und auszureden; allein ſie beklagte ſich auch gegen niemand, weil ſie nicht wußte, ob ihr Schickſal je anders ſeyn koͤnnte? Selbſt

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Zitationshilfe: Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/77>, abgerufen am 21.11.2024.