kannten. Alles war für ihn von einem Enthusiasmus beseelt, alles liebte ihn und betete ihn an! und nie war ihnen so wohl, als wenn sie ein: Vivat der Kö- nig von Preußen! trinken konnten. Die Dichterin, welche bei diesen Gesprächen nicht darein reden durf- te, fühlte sich so enge um's Herz, wenn sie bei ihrer Arbeit von diesem Wunderkönige reden hörte; sie glühte vor Verlangen, ihn singen zu können. Allein völlig unbekannt mit jeder Art eines Heldengesangs, kehrte nur ihr Verlangen unbefriedigter in sie zurück, ohne daß sie es gewagt hätte, ein Wort zu des Königs Ruhm zu schreiben. Im Anhange befindet sich das Stück über die Kaiserliche Regierung, worin sie, wie die schüchterne Liebe, es nur entfernt wagte, gleichniß- weise ihre Verehrung gegen ihn zu verrathen. Zu die- ser Zeit kam auch ihr litterarischer Hirt nach Schwie- bus; er hatte hier von einem Verwandten ein Stück Land und eine Hütte geerbt, welche er als Eigenthum bezog, indem er seiner alten Mutter die wenigen Einkünfte seines väterlichen Ackers in Tirschtiegel al- lein überließ. Jezt war sie besser geborgen, als jemals, denn nun hatte sie den Freund, der für ihren Sonntag vollauf sorgte. So sehr indeß das Lesen den Druck ihres häuslichen Zustandes erleichterte, so zog es ihr doch auch manchen Verdruß zu, wenn sie sich nicht enthalten konnte, auch zuweilen in der Woche ein Buch
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kannten. Alles war fuͤr ihn von einem Enthuſiaſmus beſeelt, alles liebte ihn und betete ihn an! und nie war ihnen ſo wohl, als wenn ſie ein: Vivat der Koͤ- nig von Preußen! trinken konnten. Die Dichterin, welche bei dieſen Geſpraͤchen nicht darein reden durf- te, fuͤhlte ſich ſo enge um’s Herz, wenn ſie bei ihrer Arbeit von dieſem Wunderkoͤnige reden hoͤrte; ſie gluͤhte vor Verlangen, ihn ſingen zu koͤnnen. Allein voͤllig unbekannt mit jeder Art eines Heldengeſangs, kehrte nur ihr Verlangen unbefriedigter in ſie zuruͤck, ohne daß ſie es gewagt haͤtte, ein Wort zu des Koͤnigs Ruhm zu ſchreiben. Im Anhange befindet ſich das Stuͤck uͤber die Kaiſerliche Regierung, worin ſie, wie die ſchuͤchterne Liebe, es nur entfernt wagte, gleichniß- weiſe ihre Verehrung gegen ihn zu verrathen. Zu die- ſer Zeit kam auch ihr litterariſcher Hirt nach Schwie- bus; er hatte hier von einem Verwandten ein Stuͤck Land und eine Huͤtte geerbt, welche er als Eigenthum bezog, indem er ſeiner alten Mutter die wenigen Einkuͤnfte ſeines vaͤterlichen Ackers in Tirſchtiegel al- lein uͤberließ. Jezt war ſie beſſer geborgen, als jemals, denn nun hatte ſie den Freund, der fuͤr ihren Sonntag vollauf ſorgte. So ſehr indeß das Leſen den Druck ihres haͤuslichen Zuſtandes erleichterte, ſo zog es ihr doch auch manchen Verdruß zu, wenn ſie ſich nicht enthalten konnte, auch zuweilen in der Woche ein Buch
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kannten. Alles war fuͤr ihn von einem Enthuſiaſmus
beſeelt, alles liebte ihn und betete ihn an! und nie
war ihnen ſo wohl, als wenn ſie ein: Vivat der Koͤ-
nig von Preußen! trinken konnten. Die Dichterin,
welche bei dieſen Geſpraͤchen nicht darein reden durf-
te, fuͤhlte ſich ſo enge um’s Herz, wenn ſie bei ihrer
Arbeit von dieſem Wunderkoͤnige reden hoͤrte; ſie
gluͤhte vor Verlangen, ihn ſingen zu koͤnnen. Allein
voͤllig unbekannt mit jeder Art eines Heldengeſangs,
kehrte nur ihr Verlangen unbefriedigter in ſie zuruͤck,
ohne daß ſie es gewagt haͤtte, ein Wort zu des Koͤnigs
Ruhm zu ſchreiben. Im Anhange befindet ſich das
Stuͤck uͤber die Kaiſerliche Regierung, worin ſie, wie
die ſchuͤchterne Liebe, es nur entfernt wagte, gleichniß-
weiſe ihre Verehrung gegen ihn zu verrathen. Zu die-
ſer Zeit kam auch ihr litterariſcher Hirt nach Schwie-
bus; er hatte hier von einem Verwandten ein Stuͤck
Land und eine Huͤtte geerbt, welche er als Eigenthum
bezog, indem er ſeiner alten Mutter die wenigen
Einkuͤnfte ſeines vaͤterlichen Ackers in Tirſchtiegel al-
lein uͤberließ. Jezt war ſie beſſer geborgen, als jemals,
denn nun hatte ſie den Freund, der fuͤr ihren Sonntag
vollauf ſorgte. So ſehr indeß das Leſen den Druck
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Karsch, Anna Luise: Gedichte. Berlin, 1792, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/karsch_gedichte_1792/81>, abgerufen am 21.11.2024.
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