Keller, Gottfried: Romeo und Julia auf dem Dorfe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–348. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.welches ihnen die gute Frau Manz gewährte, und blieben wieder, wo es ihnen wohler war und sie über die wunderliche Wirthschaft lachen konnten; nur dann und wann erschien ein Einzelner, der ein Glas trank und die Wände angähnte, oder es kam ausnahmsweise eine ganze Bande, die armen Leute mit einem vorübergehenden Trubel und Lärm zu täuschen. Es ward ihnen angst und bange in dem engen Mauerwinkel, wo sie kaum die Sonne sahen, und Manz, welcher sonst gewohnt war, Tage lang in der Stadt zu liegen, fand es jetzt unerträglich zwischen diesen Mauern. Wenn er an die freie Weite der Felder dachte, so stierte er finster brütend an die Decke oder auf den Boden, lief unter die enge Hausthüre und wieder zurück, da die Nachbaren den bösen Wirth, wie sie ihn schon nannten, angafften. Nun dauerte es aber nicht mehr lange, und sie verarmten gänzlich und hatten gar Nichts mehr in der Hand; sie mußten, um etwas zu essen, warten bis Einer kam und für wenig Geld etwas von dem noch vorhandenen Wein verzehrte, und wenn er eine Wurst oder dergleichen begehrte, so hatten sie oft die größte Angst und Sorge, dieselbe beizutreiben. Bald hatten sie auch den Wein nur noch in einer großen Flasche verborgen, die sie heimlich in einer andern Kneipe füllen ließen, und so sollten sie nun die Wirthe machen ohne Wein und Brod, und freundlich sein, ohne ordentlich gegessen zu haben. Sie waren beinahe froh, wenn nur Niemand kam, und hockten so in ihrem welches ihnen die gute Frau Manz gewährte, und blieben wieder, wo es ihnen wohler war und sie über die wunderliche Wirthschaft lachen konnten; nur dann und wann erschien ein Einzelner, der ein Glas trank und die Wände angähnte, oder es kam ausnahmsweise eine ganze Bande, die armen Leute mit einem vorübergehenden Trubel und Lärm zu täuschen. Es ward ihnen angst und bange in dem engen Mauerwinkel, wo sie kaum die Sonne sahen, und Manz, welcher sonst gewohnt war, Tage lang in der Stadt zu liegen, fand es jetzt unerträglich zwischen diesen Mauern. Wenn er an die freie Weite der Felder dachte, so stierte er finster brütend an die Decke oder auf den Boden, lief unter die enge Hausthüre und wieder zurück, da die Nachbaren den bösen Wirth, wie sie ihn schon nannten, angafften. Nun dauerte es aber nicht mehr lange, und sie verarmten gänzlich und hatten gar Nichts mehr in der Hand; sie mußten, um etwas zu essen, warten bis Einer kam und für wenig Geld etwas von dem noch vorhandenen Wein verzehrte, und wenn er eine Wurst oder dergleichen begehrte, so hatten sie oft die größte Angst und Sorge, dieselbe beizutreiben. Bald hatten sie auch den Wein nur noch in einer großen Flasche verborgen, die sie heimlich in einer andern Kneipe füllen ließen, und so sollten sie nun die Wirthe machen ohne Wein und Brod, und freundlich sein, ohne ordentlich gegessen zu haben. Sie waren beinahe froh, wenn nur Niemand kam, und hockten so in ihrem <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0040"/> welches ihnen die gute Frau Manz gewährte, und blieben wieder, wo es ihnen wohler war und sie über die wunderliche Wirthschaft lachen konnten; nur dann und wann erschien ein Einzelner, der ein Glas trank und die Wände angähnte, oder es kam ausnahmsweise eine ganze Bande, die armen Leute mit einem vorübergehenden Trubel und Lärm zu täuschen. Es ward ihnen angst und bange in dem engen Mauerwinkel, wo sie kaum die Sonne sahen, und Manz, welcher sonst gewohnt war, Tage lang in der Stadt zu liegen, fand es jetzt unerträglich zwischen diesen Mauern. Wenn er an die freie Weite der Felder dachte, so stierte er finster brütend an die Decke oder auf den Boden, lief unter die enge Hausthüre und wieder zurück, da die Nachbaren den bösen Wirth, wie sie ihn schon nannten, angafften. Nun dauerte es aber nicht mehr lange, und sie verarmten gänzlich und hatten gar Nichts mehr in der Hand; sie mußten, um etwas zu essen, warten bis Einer kam und für wenig Geld etwas von dem noch vorhandenen Wein verzehrte, und wenn er eine Wurst oder dergleichen begehrte, so hatten sie oft die größte Angst und Sorge, dieselbe beizutreiben. Bald hatten sie auch den Wein nur noch in einer großen Flasche verborgen, die sie heimlich in einer andern Kneipe füllen ließen, und so sollten sie nun die Wirthe machen ohne Wein und Brod, und freundlich sein, ohne ordentlich gegessen zu haben. Sie waren beinahe froh, wenn nur Niemand kam, und hockten so in ihrem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
welches ihnen die gute Frau Manz gewährte, und blieben wieder, wo es ihnen wohler war und sie über die wunderliche Wirthschaft lachen konnten; nur dann und wann erschien ein Einzelner, der ein Glas trank und die Wände angähnte, oder es kam ausnahmsweise eine ganze Bande, die armen Leute mit einem vorübergehenden Trubel und Lärm zu täuschen. Es ward ihnen angst und bange in dem engen Mauerwinkel, wo sie kaum die Sonne sahen, und Manz, welcher sonst gewohnt war, Tage lang in der Stadt zu liegen, fand es jetzt unerträglich zwischen diesen Mauern. Wenn er an die freie Weite der Felder dachte, so stierte er finster brütend an die Decke oder auf den Boden, lief unter die enge Hausthüre und wieder zurück, da die Nachbaren den bösen Wirth, wie sie ihn schon nannten, angafften. Nun dauerte es aber nicht mehr lange, und sie verarmten gänzlich und hatten gar Nichts mehr in der Hand; sie mußten, um etwas zu essen, warten bis Einer kam und für wenig Geld etwas von dem noch vorhandenen Wein verzehrte, und wenn er eine Wurst oder dergleichen begehrte, so hatten sie oft die größte Angst und Sorge, dieselbe beizutreiben. Bald hatten sie auch den Wein nur noch in einer großen Flasche verborgen, die sie heimlich in einer andern Kneipe füllen ließen, und so sollten sie nun die Wirthe machen ohne Wein und Brod, und freundlich sein, ohne ordentlich gegessen zu haben. Sie waren beinahe froh, wenn nur Niemand kam, und hockten so in ihrem
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