von dem Wesen des modernen, weinerlichen und heuchlerischen Conservatismus. Es ging in sei¬ nem Hause geräuschvoll und lustig her, die Pfarr¬ kinder steuerten reichlich, was Feld und Stall ab¬ warf, die Gäste holten sich selbst aus dem Forste Hasen, Schnepfen und Rebhühner, und da Treib¬ jagden doch nicht landesüblich waren, so wurden die Bauern dafür zu großen Fischzügen freund¬ schaftlich angehalten, welches jedesmal ein Fest gab, und so war das Pfarrhaus nie ohne Freude und Lärm. Man durchzog das Land rings um¬ her, stattete Besuche ab in Masse und empfing solche, schlug Zelte auf und tanzte darunter oder spannte sie über die lauteren Bäche und die Griechinnen badeten darunter; man überfiel in hellen Haufen eine einsame kühle Mühle oder fuhr in vollgepfropften Nachen auf Seeen und Flüssen, der Pfarrer immer voran mit einer Entenflinte über dem Rücken oder ein mächtiges spanisches Rohr in der Hand.
Geistige Bedürfnisse waren in diesen Kreisen nicht viele vorhanden; die weltliche Bibliothek des Pfarrers bestand, wie ich sie noch gesehen
von dem Weſen des modernen, weinerlichen und heuchleriſchen Conſervatismus. Es ging in ſei¬ nem Hauſe geraͤuſchvoll und luſtig her, die Pfarr¬ kinder ſteuerten reichlich, was Feld und Stall ab¬ warf, die Gaͤſte holten ſich ſelbſt aus dem Forſte Haſen, Schnepfen und Rebhuͤhner, und da Treib¬ jagden doch nicht landesuͤblich waren, ſo wurden die Bauern dafuͤr zu großen Fiſchzuͤgen freund¬ ſchaftlich angehalten, welches jedesmal ein Feſt gab, und ſo war das Pfarrhaus nie ohne Freude und Laͤrm. Man durchzog das Land rings um¬ her, ſtattete Beſuche ab in Maſſe und empfing ſolche, ſchlug Zelte auf und tanzte darunter oder ſpannte ſie uͤber die lauteren Baͤche und die Griechinnen badeten darunter; man uͤberfiel in hellen Haufen eine einſame kuͤhle Muͤhle oder fuhr in vollgepfropften Nachen auf Seeen und Fluͤſſen, der Pfarrer immer voran mit einer Entenflinte uͤber dem Ruͤcken oder ein maͤchtiges ſpaniſches Rohr in der Hand.
Geiſtige Beduͤrfniſſe waren in dieſen Kreiſen nicht viele vorhanden; die weltliche Bibliothek des Pfarrers beſtand, wie ich ſie noch geſehen
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von dem Weſen des modernen, weinerlichen und
heuchleriſchen Conſervatismus. Es ging in ſei¬
nem Hauſe geraͤuſchvoll und luſtig her, die Pfarr¬
kinder ſteuerten reichlich, was Feld und Stall ab¬
warf, die Gaͤſte holten ſich ſelbſt aus dem Forſte
Haſen, Schnepfen und Rebhuͤhner, und da Treib¬
jagden doch nicht landesuͤblich waren, ſo wurden
die Bauern dafuͤr zu großen Fiſchzuͤgen freund¬
ſchaftlich angehalten, welches jedesmal ein Feſt
gab, und ſo war das Pfarrhaus nie ohne Freude
und Laͤrm. Man durchzog das Land rings um¬
her, ſtattete Beſuche ab in Maſſe und empfing
ſolche, ſchlug Zelte auf und tanzte darunter oder
ſpannte ſie uͤber die lauteren Baͤche und die
Griechinnen badeten darunter; man uͤberfiel in
hellen Haufen eine einſame kuͤhle Muͤhle oder
fuhr in vollgepfropften Nachen auf Seeen und
Fluͤſſen, der Pfarrer immer voran mit einer
Entenflinte uͤber dem Ruͤcken oder ein maͤchtiges
ſpaniſches Rohr in der Hand.
Geiſtige Beduͤrfniſſe waren in dieſen Kreiſen
nicht viele vorhanden; die weltliche Bibliothek
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/114>, abgerufen am 21.11.2024.
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