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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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ches in dem Quartal Conto der Madame zu ver¬
merken ist. Wollte anfenglich mit der Kleinen
sein Wesen und Freundlichkeit treiben und hat sie
sich sogleich an ihn attachiret, daher ich ihme be¬
deutet habe, mir in meinem Process nicht zu
interveniren. Wie man der Kleinen ihr ver¬
wahrte Habit und Sonntagsstaat herfürgeholt und
angelegt benebst der Schapell und der Gürtlen,
so hat sie großen Plaisir gezeiget und zu tanzen
begonnen. Diese ihre Freude ist aber bald ver¬
bittert worden, als ich nach dem Befelch der Frau
Mama 1 Todtenschedel hohlen ließe und in die
Hand zu tragen gab, welchen sie partout nicht
nemen wollen und hernachmalen weinend und
zitternd in der Hand gehalten, wie wenn es ein
feurig Eisen wär. Zwaren hat der Maler be¬
hauptet, er könne den Schedel außwendig malen,
weill solcher zu denen allerersten Elementen sei¬
ner Kunst gehöre, habe es aber nicht zugegeben,
sintemal Madame geschrieben hat: Was das Kind
leidet, das leiden auch wir, und ist uns in sei¬
nem Leiden selbst Gelegenheit zur Buße gegeben,
so wir für ihn's thun können; derohalb brechen

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ches in dem Quartal Conto der Madame zu ver¬
merken iſt. Wollte anfenglich mit der Kleinen
ſein Weſen und Freundlichkeit treiben und hat ſie
ſich ſogleich an ihn attachiret, daher ich ihme be¬
deutet habe, mir in meinem Process nicht zu
interveniren. Wie man der Kleinen ihr ver¬
wahrte Habit und Sonntagsſtaat herfuͤrgeholt und
angelegt benebſt der Schapell und der Guͤrtlen,
ſo hat ſie großen Plaisir gezeiget und zu tanzen
begonnen. Dieſe ihre Freude iſt aber bald ver¬
bittert worden, als ich nach dem Befelch der Frau
Mama 1 Todtenſchedel hohlen ließe und in die
Hand zu tragen gab, welchen ſie partout nicht
nemen wollen und hernachmalen weinend und
zitternd in der Hand gehalten, wie wenn es ein
feurig Eiſen waͤr. Zwaren hat der Maler be¬
hauptet, er koͤnne den Schedel außwendig malen,
weill ſolcher zu denen allererſten Elementen ſei¬
ner Kunſt gehoͤre, habe es aber nicht zugegeben,
ſintemal Madame geſchrieben hat: Was das Kind
leidet, das leiden auch wir, und iſt uns in ſei¬
nem Leiden ſelbſt Gelegenheit zur Buße gegeben,
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[161/0175] ches in dem Quartal Conto der Madame zu ver¬ merken iſt. Wollte anfenglich mit der Kleinen ſein Weſen und Freundlichkeit treiben und hat ſie ſich ſogleich an ihn attachiret, daher ich ihme be¬ deutet habe, mir in meinem Process nicht zu interveniren. Wie man der Kleinen ihr ver¬ wahrte Habit und Sonntagsſtaat herfuͤrgeholt und angelegt benebſt der Schapell und der Guͤrtlen, ſo hat ſie großen Plaisir gezeiget und zu tanzen begonnen. Dieſe ihre Freude iſt aber bald ver¬ bittert worden, als ich nach dem Befelch der Frau Mama 1 Todtenſchedel hohlen ließe und in die Hand zu tragen gab, welchen ſie partout nicht nemen wollen und hernachmalen weinend und zitternd in der Hand gehalten, wie wenn es ein feurig Eiſen waͤr. Zwaren hat der Maler be¬ hauptet, er koͤnne den Schedel außwendig malen, weill ſolcher zu denen allererſten Elementen ſei¬ ner Kunſt gehoͤre, habe es aber nicht zugegeben, ſintemal Madame geſchrieben hat: Was das Kind leidet, das leiden auch wir, und iſt uns in ſei¬ nem Leiden ſelbſt Gelegenheit zur Buße gegeben, ſo wir fuͤr ihn's thun koͤnnen; derohalb brechen I. 11

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/175>, abgerufen am 21.11.2024.