hatte ohne Unterschied Alles, was gedruckt war, sowohl wie die mündlichen Ueberlieferungen des Volkes, eine gewisse Wahrheit, und die ganze Welt in allen ihren Spiegelungen, das fernste so¬ wohl wie ihr eigenes Leben, waren ihr gleich wunderbar und bedeutungsvoll; sie trug noch den lebendigen ungebrochenen Aberglauben vergangener kräftiger Zeiten an sich ohne Verfeinerung und Schliff. Mit neugieriger Liebe erfaßte sie Alles und nahm es als baare Münze, was ihrer wo¬ genden Phantasie dargeboten wurde, und sie be¬ kleidete es alsbald mit den sinnlich greifbaren Formen der Volksthümlichkeit, welche massiven metallenen Gefäßen gleichen, die trotz ihres hohen Alters durch den stäten Gebrauch immer glän¬ zend geblieben sind. Alle die Götter und Götzen der alten und jetzigen heidnischen Völker beschäf¬ tigten sie durch ihre Geschichte sowohl, als durch ihr äußeres Aussehen in den Abbildungen, haupt¬ sächlich auch daher, daß sie dieselben für wirk¬ liche lebendige Wesen hielt, welche durch den wahren Gott bekämpft und ausgerottet würden; das Spuken und Umgehen solcher halb über¬
hatte ohne Unterſchied Alles, was gedruckt war, ſowohl wie die muͤndlichen Ueberlieferungen des Volkes, eine gewiſſe Wahrheit, und die ganze Welt in allen ihren Spiegelungen, das fernſte ſo¬ wohl wie ihr eigenes Leben, waren ihr gleich wunderbar und bedeutungsvoll; ſie trug noch den lebendigen ungebrochenen Aberglauben vergangener kraͤftiger Zeiten an ſich ohne Verfeinerung und Schliff. Mit neugieriger Liebe erfaßte ſie Alles und nahm es als baare Muͤnze, was ihrer wo¬ genden Phantaſie dargeboten wurde, und ſie be¬ kleidete es alsbald mit den ſinnlich greifbaren Formen der Volksthuͤmlichkeit, welche maſſiven metallenen Gefaͤßen gleichen, die trotz ihres hohen Alters durch den ſtaͤten Gebrauch immer glaͤn¬ zend geblieben ſind. Alle die Goͤtter und Goͤtzen der alten und jetzigen heidniſchen Voͤlker beſchaͤf¬ tigten ſie durch ihre Geſchichte ſowohl, als durch ihr aͤußeres Ausſehen in den Abbildungen, haupt¬ ſaͤchlich auch daher, daß ſie dieſelben fuͤr wirk¬ liche lebendige Weſen hielt, welche durch den wahren Gott bekaͤmpft und ausgerottet wuͤrden; das Spuken und Umgehen ſolcher halb uͤber¬
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hatte ohne Unterſchied Alles, was gedruckt war,
ſowohl wie die muͤndlichen Ueberlieferungen des
Volkes, eine gewiſſe Wahrheit, und die ganze
Welt in allen ihren Spiegelungen, das fernſte ſo¬
wohl wie ihr eigenes Leben, waren ihr gleich
wunderbar und bedeutungsvoll; ſie trug noch den
lebendigen ungebrochenen Aberglauben vergangener
kraͤftiger Zeiten an ſich ohne Verfeinerung und
Schliff. Mit neugieriger Liebe erfaßte ſie Alles
und nahm es als baare Muͤnze, was ihrer wo¬
genden Phantaſie dargeboten wurde, und ſie be¬
kleidete es alsbald mit den ſinnlich greifbaren
Formen der Volksthuͤmlichkeit, welche maſſiven
metallenen Gefaͤßen gleichen, die trotz ihres hohen
Alters durch den ſtaͤten Gebrauch immer glaͤn¬
zend geblieben ſind. Alle die Goͤtter und Goͤtzen
der alten und jetzigen heidniſchen Voͤlker beſchaͤf¬
tigten ſie durch ihre Geſchichte ſowohl, als durch
ihr aͤußeres Ausſehen in den Abbildungen, haupt¬
ſaͤchlich auch daher, daß ſie dieſelben fuͤr wirk¬
liche lebendige Weſen hielt, welche durch den
wahren Gott bekaͤmpft und ausgerottet wuͤrden;
das Spuken und Umgehen ſolcher halb uͤber¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/196>, abgerufen am 21.11.2024.
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