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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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wundenen schlimmen Käuze war ihr eben so
schauerlich anziehend, wie das grauenvolle Trei¬
ben eines Atheisten, unter welchem sie nichts
Anderes verstand und verstehen konnte, als einen
Menschen, welcher seiner Ueberzeugung von dem
Dasein Gottes zum Trotz dasselbe hartnäckig und
muthwillig läugne. Die großen Affen und Wald¬
teufel der südlichen Zonen, von denen sie in ihren
alten Reisebüchern las, die fabelhaften Meer¬
männer und Meerweibchen waren nichts Anderes,
als ganze gottlose, nun verthierte Völker oder
solche einzelne Gottesläugner, welche in diesem
jammervollen Zustande, halb reuevoll, halb trotzig,
Zeugniß gaben von dem Zorne Gottes und sich
zugleich allerlei muthwillige Neckereien mit den
Menschen erlaubten.

Wenn nun am Abend das Feuer prasselte,
die Töpfe dampften, der Tisch mit den soliden
volksthümlichen Leckereien bedeckt wurde und
Frau Margreth behaglich und ansehnlich auf
ihrem zierlich eingelegten Stuhle saß, so begann
sich nach und nach eine ganz andere Anhänger¬
schaft und Gesellschaft einzufinden, als die den

wundenen ſchlimmen Kaͤuze war ihr eben ſo
ſchauerlich anziehend, wie das grauenvolle Trei¬
ben eines Atheiſten, unter welchem ſie nichts
Anderes verſtand und verſtehen konnte, als einen
Menſchen, welcher ſeiner Ueberzeugung von dem
Daſein Gottes zum Trotz daſſelbe hartnaͤckig und
muthwillig laͤugne. Die großen Affen und Wald¬
teufel der ſuͤdlichen Zonen, von denen ſie in ihren
alten Reiſebuͤchern las, die fabelhaften Meer¬
maͤnner und Meerweibchen waren nichts Anderes,
als ganze gottloſe, nun verthierte Voͤlker oder
ſolche einzelne Gotteslaͤugner, welche in dieſem
jammervollen Zuſtande, halb reuevoll, halb trotzig,
Zeugniß gaben von dem Zorne Gottes und ſich
zugleich allerlei muthwillige Neckereien mit den
Menſchen erlaubten.

Wenn nun am Abend das Feuer praſſelte,
die Toͤpfe dampften, der Tiſch mit den ſoliden
volksthuͤmlichen Leckereien bedeckt wurde und
Frau Margreth behaglich und anſehnlich auf
ihrem zierlich eingelegten Stuhle ſaß, ſo begann
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[183/0197] wundenen ſchlimmen Kaͤuze war ihr eben ſo ſchauerlich anziehend, wie das grauenvolle Trei¬ ben eines Atheiſten, unter welchem ſie nichts Anderes verſtand und verſtehen konnte, als einen Menſchen, welcher ſeiner Ueberzeugung von dem Daſein Gottes zum Trotz daſſelbe hartnaͤckig und muthwillig laͤugne. Die großen Affen und Wald¬ teufel der ſuͤdlichen Zonen, von denen ſie in ihren alten Reiſebuͤchern las, die fabelhaften Meer¬ maͤnner und Meerweibchen waren nichts Anderes, als ganze gottloſe, nun verthierte Voͤlker oder ſolche einzelne Gotteslaͤugner, welche in dieſem jammervollen Zuſtande, halb reuevoll, halb trotzig, Zeugniß gaben von dem Zorne Gottes und ſich zugleich allerlei muthwillige Neckereien mit den Menſchen erlaubten. Wenn nun am Abend das Feuer praſſelte, die Toͤpfe dampften, der Tiſch mit den ſoliden volksthuͤmlichen Leckereien bedeckt wurde und Frau Margreth behaglich und anſehnlich auf ihrem zierlich eingelegten Stuhle ſaß, ſo begann ſich nach und nach eine ganz andere Anhaͤnger¬ ſchaft und Geſellſchaft einzufinden, als die den

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/197>, abgerufen am 24.11.2024.