Tag über in dem Gewölbe zu sehen war. Es waren dies arme Frauen und Männer, welche, theils durch den Duft des wohlbesetzten Tisches, theils durch die belebte Unterhaltung von höheren Dingen angezogen, hier mannigfache Erholung von den Mühen des Tages suchten und fanden. Mit Ausnahme einiger weniger heuchlerischer Schmarotzer hatten sonst Alle ein aufrichtiges Bedürfniß, sich durch Gespräche und Belehrungen über das, was ihnen nicht alltäglich war, zu er¬ wärmen und besonders in Betreff des Religiösen und Wunderbaren eine kräftigere Nahrung zu suchen, als die öffentlichen Culturzustände ihnen darboten. Nichtbefriedigung des Gemüthes, un¬ gelöschter Durst nach Wahrheit und Erkenntniß, erlebte Schicksale, hervorgerufen durch die ver¬ suchte Befriedigung solcher unruhigen Triebe in der sinnlichen Welt, trieben diese Leute hier zu¬ sammen und überdies noch in mancherlei seltsame Secten hinein, von deren innerem Leben und Treiben sich Frau Margreth fleißig Bericht er¬ statten ließ; denn sie selbst war zu weltlich und zu derb, als daß sie so weit gegangen wäre,
Tag uͤber in dem Gewoͤlbe zu ſehen war. Es waren dies arme Frauen und Maͤnner, welche, theils durch den Duft des wohlbeſetzten Tiſches, theils durch die belebte Unterhaltung von hoͤheren Dingen angezogen, hier mannigfache Erholung von den Muͤhen des Tages ſuchten und fanden. Mit Ausnahme einiger weniger heuchleriſcher Schmarotzer hatten ſonſt Alle ein aufrichtiges Beduͤrfniß, ſich durch Geſpraͤche und Belehrungen uͤber das, was ihnen nicht alltaͤglich war, zu er¬ waͤrmen und beſonders in Betreff des Religioͤſen und Wunderbaren eine kraͤftigere Nahrung zu ſuchen, als die oͤffentlichen Culturzuſtaͤnde ihnen darboten. Nichtbefriedigung des Gemuͤthes, un¬ geloͤſchter Durſt nach Wahrheit und Erkenntniß, erlebte Schickſale, hervorgerufen durch die ver¬ ſuchte Befriedigung ſolcher unruhigen Triebe in der ſinnlichen Welt, trieben dieſe Leute hier zu¬ ſammen und uͤberdies noch in mancherlei ſeltſame Secten hinein, von deren innerem Leben und Treiben ſich Frau Margreth fleißig Bericht er¬ ſtatten ließ; denn ſie ſelbſt war zu weltlich und zu derb, als daß ſie ſo weit gegangen waͤre,
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Tag uͤber in dem Gewoͤlbe zu ſehen war. Es
waren dies arme Frauen und Maͤnner, welche,
theils durch den Duft des wohlbeſetzten Tiſches,
theils durch die belebte Unterhaltung von hoͤheren
Dingen angezogen, hier mannigfache Erholung
von den Muͤhen des Tages ſuchten und fanden.
Mit Ausnahme einiger weniger heuchleriſcher
Schmarotzer hatten ſonſt Alle ein aufrichtiges
Beduͤrfniß, ſich durch Geſpraͤche und Belehrungen
uͤber das, was ihnen nicht alltaͤglich war, zu er¬
waͤrmen und beſonders in Betreff des Religioͤſen
und Wunderbaren eine kraͤftigere Nahrung zu
ſuchen, als die oͤffentlichen Culturzuſtaͤnde ihnen
darboten. Nichtbefriedigung des Gemuͤthes, un¬
geloͤſchter Durſt nach Wahrheit und Erkenntniß,
erlebte Schickſale, hervorgerufen durch die ver¬
ſuchte Befriedigung ſolcher unruhigen Triebe in
der ſinnlichen Welt, trieben dieſe Leute hier zu¬
ſammen und uͤberdies noch in mancherlei ſeltſame
Secten hinein, von deren innerem Leben und
Treiben ſich Frau Margreth fleißig Bericht er¬
ſtatten ließ; denn ſie ſelbſt war zu weltlich und
zu derb, als daß ſie ſo weit gegangen waͤre,
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/198>, abgerufen am 21.11.2024.
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