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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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gar hohe Protection genossen. Das Heranwach¬
sen des Wohlstandes solcher Schützlinge war ihr
wie eine eigene Sache angelegen, und wenn die¬
selben endlich dahin gediehen waren, einen be¬
haglichen Aufwand mit gutem Gewissen geltend
zu machen, so fühlte sie selbst die größte Genug¬
thuung, ihrerseits reichlich beizusteuern und sich
des Glanzes mitzufreuen. Sie war von Grund
aus wohlthätig und gab immer mit offenen Hän¬
den, den Armen und arm Bleibenden im ge¬
wöhnlichen abgetheilten Maße, denjenigen aber,
bei welchen Hab und Gut anschlug, mit wahrer
Verschwendung für ihre Verhältnisse. Es lag
meistens ganz in der Natur solcher Emporkömm¬
linge, neben ihren anderweitigen größern Bezie¬
hungen, auch die Gunst dieser seltsamen Frau
sorglich zu pflegen, bis sie durch einen jüngern
Nachwuchs endlich verdrängt wurden, und so
fand man nicht selten diesen oder jenen fein ge¬
kleideten und vornehm aussehenden Mann unter
den armen Gläubigen, der durch sein gemessenes
Betragen dieselben verschüchterte und unbehaglich
machte. Auch nahmen sie wohl, wenn er ab¬

gar hohe Protection genoſſen. Das Heranwach¬
ſen des Wohlſtandes ſolcher Schuͤtzlinge war ihr
wie eine eigene Sache angelegen, und wenn die¬
ſelben endlich dahin gediehen waren, einen be¬
haglichen Aufwand mit gutem Gewiſſen geltend
zu machen, ſo fuͤhlte ſie ſelbſt die groͤßte Genug¬
thuung, ihrerſeits reichlich beizuſteuern und ſich
des Glanzes mitzufreuen. Sie war von Grund
aus wohlthaͤtig und gab immer mit offenen Haͤn¬
den, den Armen und arm Bleibenden im ge¬
woͤhnlichen abgetheilten Maße, denjenigen aber,
bei welchen Hab und Gut anſchlug, mit wahrer
Verſchwendung fuͤr ihre Verhaͤltniſſe. Es lag
meiſtens ganz in der Natur ſolcher Emporkoͤmm¬
linge, neben ihren anderweitigen groͤßern Bezie¬
hungen, auch die Gunſt dieſer ſeltſamen Frau
ſorglich zu pflegen, bis ſie durch einen juͤngern
Nachwuchs endlich verdraͤngt wurden, und ſo
fand man nicht ſelten dieſen oder jenen fein ge¬
kleideten und vornehm ausſehenden Mann unter
den armen Glaͤubigen, der durch ſein gemeſſenes
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[186/0200] gar hohe Protection genoſſen. Das Heranwach¬ ſen des Wohlſtandes ſolcher Schuͤtzlinge war ihr wie eine eigene Sache angelegen, und wenn die¬ ſelben endlich dahin gediehen waren, einen be¬ haglichen Aufwand mit gutem Gewiſſen geltend zu machen, ſo fuͤhlte ſie ſelbſt die groͤßte Genug¬ thuung, ihrerſeits reichlich beizuſteuern und ſich des Glanzes mitzufreuen. Sie war von Grund aus wohlthaͤtig und gab immer mit offenen Haͤn¬ den, den Armen und arm Bleibenden im ge¬ woͤhnlichen abgetheilten Maße, denjenigen aber, bei welchen Hab und Gut anſchlug, mit wahrer Verſchwendung fuͤr ihre Verhaͤltniſſe. Es lag meiſtens ganz in der Natur ſolcher Emporkoͤmm¬ linge, neben ihren anderweitigen groͤßern Bezie¬ hungen, auch die Gunſt dieſer ſeltſamen Frau ſorglich zu pflegen, bis ſie durch einen juͤngern Nachwuchs endlich verdraͤngt wurden, und ſo fand man nicht ſelten dieſen oder jenen fein ge¬ kleideten und vornehm ausſehenden Mann unter den armen Glaͤubigen, der durch ſein gemeſſenes Betragen dieſelben verſchuͤchterte und unbehaglich machte. Auch nahmen ſie wohl, wenn er ab¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/200>, abgerufen am 24.11.2024.