Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

wesend war, Veranlassung, der Frau Weltsinn
und Lust an irdischer Herrlichkeit vorzuwerfen,
was dann jedesmal lebhafte Erörterungen und
Streitreden hervorrief.

Von ihrer Freude an gedeihlichem Erwerb
und emsiger Thätigkeit mochte es auch kommen,
daß mehrere Schacherjuden in den Kreis ihrer
Wohlgelittenen aufgenommen waren. Die Uner¬
müdlichkeit und stätige Aufmerksamkeit dieser
Menschen, welche öfter bei ihr verkehrten und
ihre schweren Lasten abstellten, volle Geldbeutel
aus unscheinbarer Hülle hervorzogen und ihr zum
Aufbewahren anvertrauten, ohne irgend ein Wort
oder eine Schrift zu wechseln, ihre kindliche Gut¬
müthigkeit und neugierige Bescheidenheit neben
der unberückbaren Pfiffigkeit im Handeln, ihre
strengen Religionsgebräuche und biblische Abstam¬
mung, sogar ihre feindliche Stellung zum Chri¬
stenthume und die groben Vergehungen ihrer
Vorältern machten diese vielgeplagten und ver¬
achteten Leute der guten Frau höchst interessant
und gern gesehen, wenn sie sich bei den abend¬
lichen Zusammenkünften vorfanden, am Heerde

weſend war, Veranlaſſung, der Frau Weltſinn
und Luſt an irdiſcher Herrlichkeit vorzuwerfen,
was dann jedesmal lebhafte Eroͤrterungen und
Streitreden hervorrief.

Von ihrer Freude an gedeihlichem Erwerb
und emſiger Thaͤtigkeit mochte es auch kommen,
daß mehrere Schacherjuden in den Kreis ihrer
Wohlgelittenen aufgenommen waren. Die Uner¬
muͤdlichkeit und ſtaͤtige Aufmerkſamkeit dieſer
Menſchen, welche oͤfter bei ihr verkehrten und
ihre ſchweren Laſten abſtellten, volle Geldbeutel
aus unſcheinbarer Huͤlle hervorzogen und ihr zum
Aufbewahren anvertrauten, ohne irgend ein Wort
oder eine Schrift zu wechſeln, ihre kindliche Gut¬
muͤthigkeit und neugierige Beſcheidenheit neben
der unberuͤckbaren Pfiffigkeit im Handeln, ihre
ſtrengen Religionsgebraͤuche und bibliſche Abſtam¬
mung, ſogar ihre feindliche Stellung zum Chri¬
ſtenthume und die groben Vergehungen ihrer
Voraͤltern machten dieſe vielgeplagten und ver¬
achteten Leute der guten Frau hoͤchſt intereſſant
und gern geſehen, wenn ſie ſich bei den abend¬
lichen Zuſammenkuͤnften vorfanden, am Heerde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0201" n="187"/>
we&#x017F;end war, Veranla&#x017F;&#x017F;ung, der Frau Welt&#x017F;inn<lb/>
und Lu&#x017F;t an irdi&#x017F;cher Herrlichkeit vorzuwerfen,<lb/>
was dann jedesmal lebhafte Ero&#x0364;rterungen und<lb/>
Streitreden hervorrief.</p><lb/>
        <p>Von ihrer Freude an gedeihlichem Erwerb<lb/>
und em&#x017F;iger Tha&#x0364;tigkeit mochte es auch kommen,<lb/>
daß mehrere Schacherjuden in den Kreis ihrer<lb/>
Wohlgelittenen aufgenommen waren. Die Uner¬<lb/>
mu&#x0364;dlichkeit und &#x017F;ta&#x0364;tige Aufmerk&#x017F;amkeit die&#x017F;er<lb/>
Men&#x017F;chen, welche o&#x0364;fter bei ihr verkehrten und<lb/>
ihre &#x017F;chweren La&#x017F;ten ab&#x017F;tellten, volle Geldbeutel<lb/>
aus un&#x017F;cheinbarer Hu&#x0364;lle hervorzogen und ihr zum<lb/>
Aufbewahren anvertrauten, ohne irgend ein Wort<lb/>
oder eine Schrift zu wech&#x017F;eln, ihre kindliche Gut¬<lb/>
mu&#x0364;thigkeit und neugierige Be&#x017F;cheidenheit neben<lb/>
der unberu&#x0364;ckbaren Pfiffigkeit im Handeln, ihre<lb/>
&#x017F;trengen Religionsgebra&#x0364;uche und bibli&#x017F;che Ab&#x017F;tam¬<lb/>
mung, &#x017F;ogar ihre feindliche Stellung zum Chri¬<lb/>
&#x017F;tenthume und die groben Vergehungen ihrer<lb/>
Vora&#x0364;ltern machten die&#x017F;e vielgeplagten und ver¬<lb/>
achteten Leute der guten Frau ho&#x0364;ch&#x017F;t intere&#x017F;&#x017F;ant<lb/>
und gern ge&#x017F;ehen, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich bei den abend¬<lb/>
lichen Zu&#x017F;ammenku&#x0364;nften vorfanden, am Heerde<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0201] weſend war, Veranlaſſung, der Frau Weltſinn und Luſt an irdiſcher Herrlichkeit vorzuwerfen, was dann jedesmal lebhafte Eroͤrterungen und Streitreden hervorrief. Von ihrer Freude an gedeihlichem Erwerb und emſiger Thaͤtigkeit mochte es auch kommen, daß mehrere Schacherjuden in den Kreis ihrer Wohlgelittenen aufgenommen waren. Die Uner¬ muͤdlichkeit und ſtaͤtige Aufmerkſamkeit dieſer Menſchen, welche oͤfter bei ihr verkehrten und ihre ſchweren Laſten abſtellten, volle Geldbeutel aus unſcheinbarer Huͤlle hervorzogen und ihr zum Aufbewahren anvertrauten, ohne irgend ein Wort oder eine Schrift zu wechſeln, ihre kindliche Gut¬ muͤthigkeit und neugierige Beſcheidenheit neben der unberuͤckbaren Pfiffigkeit im Handeln, ihre ſtrengen Religionsgebraͤuche und bibliſche Abſtam¬ mung, ſogar ihre feindliche Stellung zum Chri¬ ſtenthume und die groben Vergehungen ihrer Voraͤltern machten dieſe vielgeplagten und ver¬ achteten Leute der guten Frau hoͤchſt intereſſant und gern geſehen, wenn ſie ſich bei den abend¬ lichen Zuſammenkuͤnften vorfanden, am Heerde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/201
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/201>, abgerufen am 21.11.2024.