Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

beweist es jedoch in den riesenhaften Burglinden,
welche ewig grün ihre Aeste zu einem mächtigen
Kranze verschlingen hoch über der Stadt, unmit¬
telbar unter dem Himmel. Wo der Fluß sich
schon merklich verengt und seine eigene Strömung
annimmt, steht noch ein malerisches festes Brü¬
ckenthor und sendet eine lange hölzerne Brücke
herüber, bedeckt von einem alterthümlichen Dache,
dessen Gebälke mit Schnitzwerk und verblichenen
Schildereien überladen ist. Diesseits empfängt
sie wieder ein grauer Thurm und aus diesem
hervor führen mehrere Wege, theils dem Flusse
entlang nach der Fläche hinaus, theils auf jähen
Steigen auf den Felsenberg. An dessen Mitte
ragt ebenfalls ein beträchtliches Plateau hinaus;
es trägt, wie es oft bei Flußstädten vorkommt, eine
Art Anhängsel oder kleineren Theil der Stadt,
bestehend aus einem Kastell und ehemaligen Klo¬
ster, deren innere Räume und Höfe vollständig
mit Gräbern angefüllt sind, da sie der Stadt
schon seit Jahrhunderten zum Kirchhofe dienen.
Die Gebäude aber enthalten ein Irrenhaus, ein
Armenhaus oder Hospital u. dgl. mehr. Seltsam

beweiſt es jedoch in den rieſenhaften Burglinden,
welche ewig gruͤn ihre Aeſte zu einem maͤchtigen
Kranze verſchlingen hoch uͤber der Stadt, unmit¬
telbar unter dem Himmel. Wo der Fluß ſich
ſchon merklich verengt und ſeine eigene Stroͤmung
annimmt, ſteht noch ein maleriſches feſtes Bruͤ¬
ckenthor und ſendet eine lange hoͤlzerne Bruͤcke
heruͤber, bedeckt von einem alterthuͤmlichen Dache,
deſſen Gebaͤlke mit Schnitzwerk und verblichenen
Schildereien uͤberladen iſt. Diesſeits empfaͤngt
ſie wieder ein grauer Thurm und aus dieſem
hervor fuͤhren mehrere Wege, theils dem Fluſſe
entlang nach der Flaͤche hinaus, theils auf jaͤhen
Steigen auf den Felſenberg. An deſſen Mitte
ragt ebenfalls ein betraͤchtliches Plateau hinaus;
es traͤgt, wie es oft bei Flußſtaͤdten vorkommt, eine
Art Anhaͤngſel oder kleineren Theil der Stadt,
beſtehend aus einem Kaſtell und ehemaligen Klo¬
ſter, deren innere Raͤume und Hoͤfe vollſtaͤndig
mit Graͤbern angefuͤllt ſind, da ſie der Stadt
ſchon ſeit Jahrhunderten zum Kirchhofe dienen.
Die Gebaͤude aber enthalten ein Irrenhaus, ein
Armenhaus oder Hoſpital u. dgl. mehr. Seltſam

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0022" n="8"/>
bewei&#x017F;t es jedoch in den rie&#x017F;enhaften Burglinden,<lb/>
welche ewig gru&#x0364;n ihre Ae&#x017F;te zu einem ma&#x0364;chtigen<lb/>
Kranze ver&#x017F;chlingen hoch u&#x0364;ber der Stadt, unmit¬<lb/>
telbar unter dem Himmel. Wo der Fluß &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;chon merklich verengt und &#x017F;eine eigene Stro&#x0364;mung<lb/>
annimmt, &#x017F;teht noch ein maleri&#x017F;ches fe&#x017F;tes Bru&#x0364;¬<lb/>
ckenthor und &#x017F;endet eine lange ho&#x0364;lzerne Bru&#x0364;cke<lb/>
heru&#x0364;ber, bedeckt von einem alterthu&#x0364;mlichen Dache,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Geba&#x0364;lke mit Schnitzwerk und verblichenen<lb/>
Schildereien u&#x0364;berladen i&#x017F;t. Dies&#x017F;eits empfa&#x0364;ngt<lb/>
&#x017F;ie wieder ein grauer Thurm und aus die&#x017F;em<lb/>
hervor fu&#x0364;hren mehrere Wege, theils dem Flu&#x017F;&#x017F;e<lb/>
entlang nach der Fla&#x0364;che hinaus, theils auf ja&#x0364;hen<lb/>
Steigen auf den Fel&#x017F;enberg. An de&#x017F;&#x017F;en Mitte<lb/>
ragt ebenfalls ein betra&#x0364;chtliches Plateau hinaus;<lb/>
es tra&#x0364;gt, wie es oft bei Fluß&#x017F;ta&#x0364;dten vorkommt, eine<lb/>
Art Anha&#x0364;ng&#x017F;el oder kleineren Theil der Stadt,<lb/>
be&#x017F;tehend aus einem Ka&#x017F;tell und ehemaligen Klo¬<lb/>
&#x017F;ter, deren innere Ra&#x0364;ume und Ho&#x0364;fe voll&#x017F;ta&#x0364;ndig<lb/>
mit Gra&#x0364;bern angefu&#x0364;llt &#x017F;ind, da &#x017F;ie der Stadt<lb/>
&#x017F;chon &#x017F;eit Jahrhunderten zum Kirchhofe dienen.<lb/>
Die Geba&#x0364;ude aber enthalten ein Irrenhaus, ein<lb/>
Armenhaus oder Ho&#x017F;pital u. dgl. mehr. Selt&#x017F;am<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0022] beweiſt es jedoch in den rieſenhaften Burglinden, welche ewig gruͤn ihre Aeſte zu einem maͤchtigen Kranze verſchlingen hoch uͤber der Stadt, unmit¬ telbar unter dem Himmel. Wo der Fluß ſich ſchon merklich verengt und ſeine eigene Stroͤmung annimmt, ſteht noch ein maleriſches feſtes Bruͤ¬ ckenthor und ſendet eine lange hoͤlzerne Bruͤcke heruͤber, bedeckt von einem alterthuͤmlichen Dache, deſſen Gebaͤlke mit Schnitzwerk und verblichenen Schildereien uͤberladen iſt. Diesſeits empfaͤngt ſie wieder ein grauer Thurm und aus dieſem hervor fuͤhren mehrere Wege, theils dem Fluſſe entlang nach der Flaͤche hinaus, theils auf jaͤhen Steigen auf den Felſenberg. An deſſen Mitte ragt ebenfalls ein betraͤchtliches Plateau hinaus; es traͤgt, wie es oft bei Flußſtaͤdten vorkommt, eine Art Anhaͤngſel oder kleineren Theil der Stadt, beſtehend aus einem Kaſtell und ehemaligen Klo¬ ſter, deren innere Raͤume und Hoͤfe vollſtaͤndig mit Graͤbern angefuͤllt ſind, da ſie der Stadt ſchon ſeit Jahrhunderten zum Kirchhofe dienen. Die Gebaͤude aber enthalten ein Irrenhaus, ein Armenhaus oder Hoſpital u. dgl. mehr. Seltſam

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/22
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/22>, abgerufen am 21.11.2024.