Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.wenn er eine Privatliebhaberei befriedigen wollte. wenn er eine Privatliebhaberei befriedigen wollte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0221" n="207"/> wenn er eine Privatliebhaberei befriedigen wollte.<lb/> Sie erholte ſich indeſſen wieder und hatte nach<lb/> einiger Zeit ihren eigenen Schatz wieder vervoll¬<lb/> ſtaͤndigt und mit den Jahren verdoppelt; aber<lb/> ihr einziger Gedanke war ſeit jenem Tage der<lb/> Theilung, mit der Zeit wieder in den Beſitz des<lb/> Entriſſenen zu gelangen, und das war nur moͤg¬<lb/> lich durch den Tod ihres Mannes. Daher ging<lb/> ihr jedesmal ein Stich durch das Herz, wenn<lb/> er ein Goldſtuͤck umwechſelte, und ſie harrte un¬<lb/> verwandt auf ſeinen Tod. Er hingegen wartete<lb/> eben ſo ſehnlich auf den ihrigen, um Herr und<lb/> Meiſter des ganzen Vermoͤgens zu werden und<lb/> in voller Unabhaͤngigkeit den Reſt ſeines langen<lb/> Lebens zuzubringen. Dieſes grauenhafte Ver¬<lb/> haͤltniß hatte man freilich auf den erſten Blick<lb/> nicht geahnt; denn ſie lebten zuſammen wie zwei<lb/> gute alte Leutchen und nannten ſich nur Vater<lb/> und Mutter. Insbeſondere war die Margreth<lb/> in allem Einzelnen auch gegen ihn die gute und<lb/> verſchwenderiſche Frau, die ſie ſonſt war, und ſie<lb/> haͤtte vielleicht ohne den vierzigjaͤhrigen Lebens¬<lb/> genoſſen und ſein ſpaßhaftes Umhertreiben nicht<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [207/0221]
wenn er eine Privatliebhaberei befriedigen wollte.
Sie erholte ſich indeſſen wieder und hatte nach
einiger Zeit ihren eigenen Schatz wieder vervoll¬
ſtaͤndigt und mit den Jahren verdoppelt; aber
ihr einziger Gedanke war ſeit jenem Tage der
Theilung, mit der Zeit wieder in den Beſitz des
Entriſſenen zu gelangen, und das war nur moͤg¬
lich durch den Tod ihres Mannes. Daher ging
ihr jedesmal ein Stich durch das Herz, wenn
er ein Goldſtuͤck umwechſelte, und ſie harrte un¬
verwandt auf ſeinen Tod. Er hingegen wartete
eben ſo ſehnlich auf den ihrigen, um Herr und
Meiſter des ganzen Vermoͤgens zu werden und
in voller Unabhaͤngigkeit den Reſt ſeines langen
Lebens zuzubringen. Dieſes grauenhafte Ver¬
haͤltniß hatte man freilich auf den erſten Blick
nicht geahnt; denn ſie lebten zuſammen wie zwei
gute alte Leutchen und nannten ſich nur Vater
und Mutter. Insbeſondere war die Margreth
in allem Einzelnen auch gegen ihn die gute und
verſchwenderiſche Frau, die ſie ſonſt war, und ſie
haͤtte vielleicht ohne den vierzigjaͤhrigen Lebens¬
genoſſen und ſein ſpaßhaftes Umhertreiben nicht
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