mißhandelten Jungen so lamentiren und erbost sein konnten gegen mich, da der treffliche Ver¬ lauf der Geschichte sich von selbst verstand und ich hieran so wenig etwas ändern konnte, als die alten Götter am Fatum.
Die Betroffenen waren sämmtlich, was man schon in der Kinderwelt rechtliche Leute nennen könnte, ruhige, gesetzte Knaben, welche bisher keinen Anlaß zu grobem Tadel gegeben, und aus denen seither stille und arbeitsame junge Bürger geworden. Um so tiefer wurzelte in ihnen die Erinnerung an meine Teufelei und das erlittene Unrecht, und als sie es Jahre lang nachher mir vorhielten, erinnerte ich mich ganz genau wieder an die vergessene Geschichte, und fast jedes Wort ward wieder lebendig. Erst jetzt quälte mich der Vorfall mit verdoppelter nachhaltiger Wuth, und so oft ich daran denke, steigt mir das Blut zu Kopfe, und ich möchte mit aller Gewalt die Schuld auf jene leichtgläubigen Inquisitoren schieben, ja sogar die plauderhafte Frau ankla¬ gen, welche auf die verpönten Worte gemerkt und nicht geruht hatte, bis ein bestimmter Ur¬
I. 15
mißhandelten Jungen ſo lamentiren und erboſt ſein konnten gegen mich, da der treffliche Ver¬ lauf der Geſchichte ſich von ſelbſt verſtand und ich hieran ſo wenig etwas aͤndern konnte, als die alten Goͤtter am Fatum.
Die Betroffenen waren ſaͤmmtlich, was man ſchon in der Kinderwelt rechtliche Leute nennen koͤnnte, ruhige, geſetzte Knaben, welche bisher keinen Anlaß zu grobem Tadel gegeben, und aus denen ſeither ſtille und arbeitſame junge Buͤrger geworden. Um ſo tiefer wurzelte in ihnen die Erinnerung an meine Teufelei und das erlittene Unrecht, und als ſie es Jahre lang nachher mir vorhielten, erinnerte ich mich ganz genau wieder an die vergeſſene Geſchichte, und faſt jedes Wort ward wieder lebendig. Erſt jetzt quaͤlte mich der Vorfall mit verdoppelter nachhaltiger Wuth, und ſo oft ich daran denke, ſteigt mir das Blut zu Kopfe, und ich moͤchte mit aller Gewalt die Schuld auf jene leichtglaͤubigen Inquiſitoren ſchieben, ja ſogar die plauderhafte Frau ankla¬ gen, welche auf die verpoͤnten Worte gemerkt und nicht geruht hatte, bis ein beſtimmter Ur¬
I. 15
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0239"n="225"/>
mißhandelten Jungen ſo lamentiren und erboſt<lb/>ſein konnten gegen mich, da der treffliche Ver¬<lb/>
lauf der Geſchichte ſich von ſelbſt verſtand und<lb/>
ich hieran ſo wenig etwas aͤndern konnte, als<lb/>
die alten Goͤtter am Fatum.</p><lb/><p>Die Betroffenen waren ſaͤmmtlich, was man<lb/>ſchon in der Kinderwelt rechtliche Leute nennen<lb/>
koͤnnte, ruhige, geſetzte Knaben, welche bisher<lb/>
keinen Anlaß zu grobem Tadel gegeben, und aus<lb/>
denen ſeither ſtille und arbeitſame junge Buͤrger<lb/>
geworden. Um ſo tiefer wurzelte in ihnen die<lb/>
Erinnerung an meine Teufelei und das erlittene<lb/>
Unrecht, und als ſie es Jahre lang nachher mir<lb/>
vorhielten, erinnerte ich mich ganz genau wieder<lb/>
an die vergeſſene Geſchichte, und faſt jedes Wort<lb/>
ward wieder lebendig. Erſt jetzt quaͤlte mich der<lb/>
Vorfall mit verdoppelter nachhaltiger Wuth, und<lb/>ſo oft ich daran denke, ſteigt mir das Blut zu<lb/>
Kopfe, und ich moͤchte mit aller Gewalt die<lb/>
Schuld auf jene leichtglaͤubigen Inquiſitoren<lb/>ſchieben, ja ſogar die plauderhafte Frau ankla¬<lb/>
gen, welche auf die verpoͤnten Worte gemerkt<lb/>
und nicht geruht hatte, bis ein beſtimmter Ur¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">I. 15<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[225/0239]
mißhandelten Jungen ſo lamentiren und erboſt
ſein konnten gegen mich, da der treffliche Ver¬
lauf der Geſchichte ſich von ſelbſt verſtand und
ich hieran ſo wenig etwas aͤndern konnte, als
die alten Goͤtter am Fatum.
Die Betroffenen waren ſaͤmmtlich, was man
ſchon in der Kinderwelt rechtliche Leute nennen
koͤnnte, ruhige, geſetzte Knaben, welche bisher
keinen Anlaß zu grobem Tadel gegeben, und aus
denen ſeither ſtille und arbeitſame junge Buͤrger
geworden. Um ſo tiefer wurzelte in ihnen die
Erinnerung an meine Teufelei und das erlittene
Unrecht, und als ſie es Jahre lang nachher mir
vorhielten, erinnerte ich mich ganz genau wieder
an die vergeſſene Geſchichte, und faſt jedes Wort
ward wieder lebendig. Erſt jetzt quaͤlte mich der
Vorfall mit verdoppelter nachhaltiger Wuth, und
ſo oft ich daran denke, ſteigt mir das Blut zu
Kopfe, und ich moͤchte mit aller Gewalt die
Schuld auf jene leichtglaͤubigen Inquiſitoren
ſchieben, ja ſogar die plauderhafte Frau ankla¬
gen, welche auf die verpoͤnten Worte gemerkt
und nicht geruht hatte, bis ein beſtimmter Ur¬
I. 15
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/239>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.