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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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ren Gefühlen ahnen wollte, langweilte und ich
die spröde Unglückliche jählings wieder hinauf¬
jagte in die heitere kühle Höhe, wo sie wieder
fröhlich wurde, während ich eine kleine unver¬
besserliche Sünderin ohne Mühe an den ihr ge¬
bührenden Schandenplatz herniederdonnerte, wo
dieselbe gar wohl gedieh, meinem Zorne lächelte
und sich im Geheimen alle möglichen Neckereien
gegen mich erlaubte, die ich halb murrend, halb
verliebt erduldete.

Nur zwei Dinge waren mir in dieser Schule
quälend und unheimlich, und sind eine unlieb¬
liche Erinnerung geblieben. Das Eine war die
düstere kriminalistische Weise, in welcher die
Schuljustiz gehandhabt wurde. Es lag dies
theils noch im Geiste der alten Zeit, an deren
Gränze wir standen, theils in einer Privatlieb¬
haberei der Personen, und harmonirte übel mit
dem übrigen guten Ton. Es wurden ausge¬
suchte peinliche und infamirende Strafen ange¬
wendet auf dies zarte Lebensalter, und es ver¬
ging fast kein Monat ohne eine feierliche Execu¬
tion an irgend einem armen Sünder. Zwar

ren Gefuͤhlen ahnen wollte, langweilte und ich
die ſproͤde Ungluͤckliche jaͤhlings wieder hinauf¬
jagte in die heitere kuͤhle Hoͤhe, wo ſie wieder
froͤhlich wurde, waͤhrend ich eine kleine unver¬
beſſerliche Suͤnderin ohne Muͤhe an den ihr ge¬
buͤhrenden Schandenplatz herniederdonnerte, wo
dieſelbe gar wohl gedieh, meinem Zorne laͤchelte
und ſich im Geheimen alle moͤglichen Neckereien
gegen mich erlaubte, die ich halb murrend, halb
verliebt erduldete.

Nur zwei Dinge waren mir in dieſer Schule
quaͤlend und unheimlich, und ſind eine unlieb¬
liche Erinnerung geblieben. Das Eine war die
duͤſtere kriminaliſtiſche Weiſe, in welcher die
Schuljuſtiz gehandhabt wurde. Es lag dies
theils noch im Geiſte der alten Zeit, an deren
Graͤnze wir ſtanden, theils in einer Privatlieb¬
haberei der Perſonen, und harmonirte uͤbel mit
dem uͤbrigen guten Ton. Es wurden ausge¬
ſuchte peinliche und infamirende Strafen ange¬
wendet auf dies zarte Lebensalter, und es ver¬
ging faſt kein Monat ohne eine feierliche Execu¬
tion an irgend einem armen Suͤnder. Zwar

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[235/0249] ren Gefuͤhlen ahnen wollte, langweilte und ich die ſproͤde Ungluͤckliche jaͤhlings wieder hinauf¬ jagte in die heitere kuͤhle Hoͤhe, wo ſie wieder froͤhlich wurde, waͤhrend ich eine kleine unver¬ beſſerliche Suͤnderin ohne Muͤhe an den ihr ge¬ buͤhrenden Schandenplatz herniederdonnerte, wo dieſelbe gar wohl gedieh, meinem Zorne laͤchelte und ſich im Geheimen alle moͤglichen Neckereien gegen mich erlaubte, die ich halb murrend, halb verliebt erduldete. Nur zwei Dinge waren mir in dieſer Schule quaͤlend und unheimlich, und ſind eine unlieb¬ liche Erinnerung geblieben. Das Eine war die duͤſtere kriminaliſtiſche Weiſe, in welcher die Schuljuſtiz gehandhabt wurde. Es lag dies theils noch im Geiſte der alten Zeit, an deren Graͤnze wir ſtanden, theils in einer Privatlieb¬ haberei der Perſonen, und harmonirte uͤbel mit dem uͤbrigen guten Ton. Es wurden ausge¬ ſuchte peinliche und infamirende Strafen ange¬ wendet auf dies zarte Lebensalter, und es ver¬ ging faſt kein Monat ohne eine feierliche Execu¬ tion an irgend einem armen Suͤnder. Zwar

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/249>, abgerufen am 24.11.2024.