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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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scharfsinnig polemisches Wunderkind gewesen zu
sein; sondern es war reine Sache des angebore¬
nen Gefühles.

So wurde ich gewaltsam auf meinen Privat¬
verkehr mit Gott zurückgedrängt, und ich be¬
harrte auf meiner Sitte, meine Gebete und Ver¬
handlungen selbst zu verfassen nach meinem Be¬
dürfnisse, und sie auch in Ansehung der Zeit nur
dann anzuwenden, wenn ich ihrer bedurfte. Ein¬
zig das Vaterunser wurde Morgens und Abends
regelmäßig, aber lautlos, gebetet.

Aber nicht nur Dieses geschah. Auch aus
meinem inneren und äußeren Spiel- und Lust¬
leben wurde der liebe Gott verdrängt, und konnte
weder durch die Frau Margreth, noch durch
meine Mutter darin erhalten werden. Für lange
Jahre wurde mir der Gedanke Gottes zu einem
prosaischen nüchternen Gedanken, in dem Sinne,
wie die falschen Poeten das wirkliche Leben für
prosaisch halten im Gegensatze zu dem erfundenen
und fabelhaften. Das Leben, die sinnliche Natur
waren merkwürdiger Weise mein Mährchen, in dem
ich meine Freude suchte, während Gott für mich

ſcharfſinnig polemiſches Wunderkind geweſen zu
ſein; ſondern es war reine Sache des angebore¬
nen Gefuͤhles.

So wurde ich gewaltſam auf meinen Privat¬
verkehr mit Gott zuruͤckgedraͤngt, und ich be¬
harrte auf meiner Sitte, meine Gebete und Ver¬
handlungen ſelbſt zu verfaſſen nach meinem Be¬
duͤrfniſſe, und ſie auch in Anſehung der Zeit nur
dann anzuwenden, wenn ich ihrer bedurfte. Ein¬
zig das Vaterunſer wurde Morgens und Abends
regelmaͤßig, aber lautlos, gebetet.

Aber nicht nur Dieſes geſchah. Auch aus
meinem inneren und aͤußeren Spiel- und Luſt¬
leben wurde der liebe Gott verdraͤngt, und konnte
weder durch die Frau Margreth, noch durch
meine Mutter darin erhalten werden. Fuͤr lange
Jahre wurde mir der Gedanke Gottes zu einem
proſaiſchen nuͤchternen Gedanken, in dem Sinne,
wie die falſchen Poeten das wirkliche Leben fuͤr
proſaiſch halten im Gegenſatze zu dem erfundenen
und fabelhaften. Das Leben, die ſinnliche Natur
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[240/0254] ſcharfſinnig polemiſches Wunderkind geweſen zu ſein; ſondern es war reine Sache des angebore¬ nen Gefuͤhles. So wurde ich gewaltſam auf meinen Privat¬ verkehr mit Gott zuruͤckgedraͤngt, und ich be¬ harrte auf meiner Sitte, meine Gebete und Ver¬ handlungen ſelbſt zu verfaſſen nach meinem Be¬ duͤrfniſſe, und ſie auch in Anſehung der Zeit nur dann anzuwenden, wenn ich ihrer bedurfte. Ein¬ zig das Vaterunſer wurde Morgens und Abends regelmaͤßig, aber lautlos, gebetet. Aber nicht nur Dieſes geſchah. Auch aus meinem inneren und aͤußeren Spiel- und Luſt¬ leben wurde der liebe Gott verdraͤngt, und konnte weder durch die Frau Margreth, noch durch meine Mutter darin erhalten werden. Fuͤr lange Jahre wurde mir der Gedanke Gottes zu einem proſaiſchen nuͤchternen Gedanken, in dem Sinne, wie die falſchen Poeten das wirkliche Leben fuͤr proſaiſch halten im Gegenſatze zu dem erfundenen und fabelhaften. Das Leben, die ſinnliche Natur waren merkwuͤrdiger Weiſe mein Maͤhrchen, in dem ich meine Freude ſuchte, waͤhrend Gott fuͤr mich

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/254>, abgerufen am 21.11.2024.