Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

gewesen sei, durch ihre Bücher ein angehender
Zaubermann zu werden.

Ueber solchen Mißgeschicken verleidete mir die
einsame Beschäftigung im Hause und ich schloß
mich nun einigen Knaben an, welche sich gut zu
unterhalten schienen, indem sie in einem großen
alten Fasse Komödie spielten. Sie hatten einen
Vorhang davorgezogen und ließen eine begün¬
stigte Anzahl Kinder respectvoll harren, bis sie
ihre geheimnißvollen Vorbereitungen geendet.
Dann wurde das Heiligthum geöffnet, einige
Ritter in papiernen Rüstungen führten ein ge¬
drängtes Zwiegespräch tüchtiger Schimpfreden,
um sich darauf schleunigst durchzubläuen und un¬
ter dem Fallen des durchlöcherten Teppichs todt
hinzustrecken. Ich wurde bald eingeweiht als ein
anstelliger Junge und brachte vor Allem aus
einen bestimmteren Stoff in das Faß, indem ich
kurze Handlungen aus der biblischen Geschichte
oder den Volksbüchern auszog und die vorkom¬
menden Reden wörtlich abschrieb und durch einige
Wendungen verband. Ich fand auch, daß es
wünschbar wäre, wenn die Helden einen beson¬

geweſen ſei, durch ihre Buͤcher ein angehender
Zaubermann zu werden.

Ueber ſolchen Mißgeſchicken verleidete mir die
einſame Beſchaͤftigung im Hauſe und ich ſchloß
mich nun einigen Knaben an, welche ſich gut zu
unterhalten ſchienen, indem ſie in einem großen
alten Faſſe Komoͤdie ſpielten. Sie hatten einen
Vorhang davorgezogen und ließen eine beguͤn¬
ſtigte Anzahl Kinder reſpectvoll harren, bis ſie
ihre geheimnißvollen Vorbereitungen geendet.
Dann wurde das Heiligthum geoͤffnet, einige
Ritter in papiernen Ruͤſtungen fuͤhrten ein ge¬
draͤngtes Zwiegeſpraͤch tuͤchtiger Schimpfreden,
um ſich darauf ſchleunigſt durchzublaͤuen und un¬
ter dem Fallen des durchloͤcherten Teppichs todt
hinzuſtrecken. Ich wurde bald eingeweiht als ein
anſtelliger Junge und brachte vor Allem aus
einen beſtimmteren Stoff in das Faß, indem ich
kurze Handlungen aus der bibliſchen Geſchichte
oder den Volksbuͤchern auszog und die vorkom¬
menden Reden woͤrtlich abſchrieb und durch einige
Wendungen verband. Ich fand auch, daß es
wuͤnſchbar waͤre, wenn die Helden einen beſon¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0272" n="258"/>
gewe&#x017F;en &#x017F;ei, durch ihre Bu&#x0364;cher ein angehender<lb/>
Zaubermann zu werden.</p><lb/>
        <p>Ueber &#x017F;olchen Mißge&#x017F;chicken verleidete mir die<lb/>
ein&#x017F;ame Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung im Hau&#x017F;e und ich &#x017F;chloß<lb/>
mich nun einigen Knaben an, welche &#x017F;ich gut zu<lb/>
unterhalten &#x017F;chienen, indem &#x017F;ie in einem großen<lb/>
alten Fa&#x017F;&#x017F;e Komo&#x0364;die &#x017F;pielten. Sie hatten einen<lb/>
Vorhang davorgezogen und ließen eine begu&#x0364;<lb/>
&#x017F;tigte Anzahl Kinder re&#x017F;pectvoll harren, bis &#x017F;ie<lb/>
ihre geheimnißvollen Vorbereitungen geendet.<lb/>
Dann wurde das Heiligthum geo&#x0364;ffnet, einige<lb/>
Ritter in papiernen Ru&#x0364;&#x017F;tungen fu&#x0364;hrten ein ge¬<lb/>
dra&#x0364;ngtes Zwiege&#x017F;pra&#x0364;ch tu&#x0364;chtiger Schimpfreden,<lb/>
um &#x017F;ich darauf &#x017F;chleunig&#x017F;t durchzubla&#x0364;uen und un¬<lb/>
ter dem Fallen des durchlo&#x0364;cherten Teppichs todt<lb/>
hinzu&#x017F;trecken. Ich wurde bald eingeweiht als ein<lb/>
an&#x017F;telliger Junge und brachte vor Allem aus<lb/>
einen be&#x017F;timmteren Stoff in das Faß, indem ich<lb/>
kurze Handlungen aus der bibli&#x017F;chen Ge&#x017F;chichte<lb/>
oder den Volksbu&#x0364;chern auszog und die vorkom¬<lb/>
menden Reden wo&#x0364;rtlich ab&#x017F;chrieb und durch einige<lb/>
Wendungen verband. Ich fand auch, daß es<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chbar wa&#x0364;re, wenn die Helden einen be&#x017F;on¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[258/0272] geweſen ſei, durch ihre Buͤcher ein angehender Zaubermann zu werden. Ueber ſolchen Mißgeſchicken verleidete mir die einſame Beſchaͤftigung im Hauſe und ich ſchloß mich nun einigen Knaben an, welche ſich gut zu unterhalten ſchienen, indem ſie in einem großen alten Faſſe Komoͤdie ſpielten. Sie hatten einen Vorhang davorgezogen und ließen eine beguͤn¬ ſtigte Anzahl Kinder reſpectvoll harren, bis ſie ihre geheimnißvollen Vorbereitungen geendet. Dann wurde das Heiligthum geoͤffnet, einige Ritter in papiernen Ruͤſtungen fuͤhrten ein ge¬ draͤngtes Zwiegeſpraͤch tuͤchtiger Schimpfreden, um ſich darauf ſchleunigſt durchzublaͤuen und un¬ ter dem Fallen des durchloͤcherten Teppichs todt hinzuſtrecken. Ich wurde bald eingeweiht als ein anſtelliger Junge und brachte vor Allem aus einen beſtimmteren Stoff in das Faß, indem ich kurze Handlungen aus der bibliſchen Geſchichte oder den Volksbuͤchern auszog und die vorkom¬ menden Reden woͤrtlich abſchrieb und durch einige Wendungen verband. Ich fand auch, daß es wuͤnſchbar waͤre, wenn die Helden einen beſon¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/272
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/272>, abgerufen am 21.11.2024.