lergewölbe stehen hätte, drang er auf das Hef¬ tigste darauf, dieselbe zu sehen. Ich gab ihm eine Stunde an, zu welcher dies möglich wäre, und er fand sich pünktlich ein und versetzte mich in eine Verlegenheit, an welche ich im mindesten bisher noch nie gedacht hatte. Aber schnell hieß ich ihn eine Weile warten vor dem Hause und eilte in die Stube zurück, wo in dem Sekretär meiner Mutter ein alterthümliches hölzernes Käst¬ chen stand, welches einen kleinen Schatz an alten und neuen Silbermünzen und einige Dukaten enthielt. Dieser Schatz umfaßte einestheils die Pathengeschenke aus der Kinderzeit meiner Mut¬ ter, anderstheils meine eigenen und war sämmt¬ lich mein erklärtes Eigenthum. Die Hauptzierde aber war eine mächtige goldene Schaumünze von der Größe eines Thalers und bedeutendem Wer¬ the, welche Frau Margreth in einer guten Stunde mir geschenkt und der Mutter zum sichern Ver¬ wahrsam eingehändigt hatte zum treuen Ange¬ denken, wenn ich einst erwachsen, sie hingegen nicht mehr sein werde. Ich durfte das Kästchen hervornehmen und den glänzenden Schatz be¬
lergewoͤlbe ſtehen haͤtte, drang er auf das Hef¬ tigſte darauf, dieſelbe zu ſehen. Ich gab ihm eine Stunde an, zu welcher dies moͤglich waͤre, und er fand ſich puͤnktlich ein und verſetzte mich in eine Verlegenheit, an welche ich im mindeſten bisher noch nie gedacht hatte. Aber ſchnell hieß ich ihn eine Weile warten vor dem Hauſe und eilte in die Stube zuruͤck, wo in dem Sekretaͤr meiner Mutter ein alterthuͤmliches hoͤlzernes Kaͤſt¬ chen ſtand, welches einen kleinen Schatz an alten und neuen Silbermuͤnzen und einige Dukaten enthielt. Dieſer Schatz umfaßte einestheils die Pathengeſchenke aus der Kinderzeit meiner Mut¬ ter, anderstheils meine eigenen und war ſaͤmmt¬ lich mein erklaͤrtes Eigenthum. Die Hauptzierde aber war eine maͤchtige goldene Schaumuͤnze von der Groͤße eines Thalers und bedeutendem Wer¬ the, welche Frau Margreth in einer guten Stunde mir geſchenkt und der Mutter zum ſichern Ver¬ wahrſam eingehaͤndigt hatte zum treuen Ange¬ denken, wenn ich einſt erwachſen, ſie hingegen nicht mehr ſein werde. Ich durfte das Kaͤſtchen hervornehmen und den glaͤnzenden Schatz be¬
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lergewoͤlbe ſtehen haͤtte, drang er auf das Hef¬
tigſte darauf, dieſelbe zu ſehen. Ich gab ihm
eine Stunde an, zu welcher dies moͤglich waͤre,
und er fand ſich puͤnktlich ein und verſetzte mich
in eine Verlegenheit, an welche ich im mindeſten
bisher noch nie gedacht hatte. Aber ſchnell hieß
ich ihn eine Weile warten vor dem Hauſe und
eilte in die Stube zuruͤck, wo in dem Sekretaͤr
meiner Mutter ein alterthuͤmliches hoͤlzernes Kaͤſt¬
chen ſtand, welches einen kleinen Schatz an alten
und neuen Silbermuͤnzen und einige Dukaten
enthielt. Dieſer Schatz umfaßte einestheils die
Pathengeſchenke aus der Kinderzeit meiner Mut¬
ter, anderstheils meine eigenen und war ſaͤmmt¬
lich mein erklaͤrtes Eigenthum. Die Hauptzierde
aber war eine maͤchtige goldene Schaumuͤnze von
der Groͤße eines Thalers und bedeutendem Wer¬
the, welche Frau Margreth in einer guten Stunde
mir geſchenkt und der Mutter zum ſichern Ver¬
wahrſam eingehaͤndigt hatte zum treuen Ange¬
denken, wenn ich einſt erwachſen, ſie hingegen
nicht mehr ſein werde. Ich durfte das Kaͤſtchen
hervornehmen und den glaͤnzenden Schatz be¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/300>, abgerufen am 21.11.2024.
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