Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

Kette und das Armband zu ihren Füßen gelegt
und den Ring an ihren Finger gesteckt!" "Bei
Gott?" "Ja, bei Gott!" rief ich. "Nun mußt
Du ihr aber noch eine Kußhand zuwerfen, und
wenn Du es nicht thust, so hast Du falsch ge¬
schworen; sieh, sie schaut gerade herunter!"
Wirklich ruhten ihre glänzenden frohen Augen
auf uns; aber der Einfall meines Freundes war
ein teuflischer; denn lieber hätte ich dem Teufel
selbst in's Gesicht gespieen, als diese Zumuthung
erfüllt. Durch meinen jesuitischen Schwur war
ich aber erst recht in die Klemme gerathen, es
war kein Ausweg. Rasch küßte ich meine Hand
und bewegte sie gegen das Fenster hinauf. Das
Mädchen hatte uns aufmerksam angesehen, und
lachte nun ganz unbändig, indem es freundlich
herunter nickte; doch ich lief, so schnell ich konnte,
davon. Das Maß war gefüllt, und als mein
Gefährte mich in der nächsten Straße wieder er¬
reichte, trat ich bleich vor ihn hin und sagte:
"Wie ist's eigentlich mit Deiner Salamiwurst?
meinst Du, dieselbe sei hinreichend, dergleichen
Sachen, wie ich bestehe, das Gegengewicht zu

Kette und das Armband zu ihren Fuͤßen gelegt
und den Ring an ihren Finger geſteckt!« »Bei
Gott?« »Ja, bei Gott!« rief ich. »Nun mußt
Du ihr aber noch eine Kußhand zuwerfen, und
wenn Du es nicht thuſt, ſo haſt Du falſch ge¬
ſchworen; ſieh, ſie ſchaut gerade herunter!«
Wirklich ruhten ihre glaͤnzenden frohen Augen
auf uns; aber der Einfall meines Freundes war
ein teufliſcher; denn lieber haͤtte ich dem Teufel
ſelbſt in's Geſicht geſpieen, als dieſe Zumuthung
erfuͤllt. Durch meinen jeſuitiſchen Schwur war
ich aber erſt recht in die Klemme gerathen, es
war kein Ausweg. Raſch kuͤßte ich meine Hand
und bewegte ſie gegen das Fenſter hinauf. Das
Maͤdchen hatte uns aufmerkſam angeſehen, und
lachte nun ganz unbaͤndig, indem es freundlich
herunter nickte; doch ich lief, ſo ſchnell ich konnte,
davon. Das Maß war gefuͤllt, und als mein
Gefaͤhrte mich in der naͤchſten Straße wieder er¬
reichte, trat ich bleich vor ihn hin und ſagte:
»Wie iſt's eigentlich mit Deiner Salamiwurſt?
meinſt Du, dieſelbe ſei hinreichend, dergleichen
Sachen, wie ich beſtehe, das Gegengewicht zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0308" n="294"/>
Kette und das Armband zu ihren <choice><sic>Fu&#x0364;&#x017F;ten</sic><corr>Fu&#x0364;ßen</corr></choice> gelegt<lb/>
und den Ring an ihren Finger ge&#x017F;teckt!« »Bei<lb/>
Gott?« »Ja, bei Gott!« rief ich. »Nun mußt<lb/>
Du ihr aber noch eine Kußhand zuwerfen, und<lb/>
wenn Du es nicht thu&#x017F;t, &#x017F;o ha&#x017F;t Du fal&#x017F;ch ge¬<lb/>
&#x017F;chworen; &#x017F;ieh, &#x017F;ie &#x017F;chaut gerade herunter!«<lb/>
Wirklich ruhten ihre gla&#x0364;nzenden frohen Augen<lb/>
auf uns; aber der Einfall meines Freundes war<lb/>
ein teufli&#x017F;cher; denn lieber ha&#x0364;tte ich dem Teufel<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t in's Ge&#x017F;icht ge&#x017F;pieen, als die&#x017F;e Zumuthung<lb/>
erfu&#x0364;llt. Durch meinen je&#x017F;uiti&#x017F;chen Schwur war<lb/>
ich aber er&#x017F;t recht in die Klemme gerathen, es<lb/>
war kein Ausweg. Ra&#x017F;ch ku&#x0364;ßte ich meine Hand<lb/>
und bewegte &#x017F;ie gegen das Fen&#x017F;ter hinauf. Das<lb/>
Ma&#x0364;dchen hatte uns aufmerk&#x017F;am ange&#x017F;ehen, und<lb/>
lachte nun ganz unba&#x0364;ndig, indem es freundlich<lb/>
herunter nickte; doch ich lief, &#x017F;o &#x017F;chnell ich konnte,<lb/>
davon. Das Maß war gefu&#x0364;llt, und als mein<lb/>
Gefa&#x0364;hrte mich in der na&#x0364;ch&#x017F;ten Straße wieder er¬<lb/>
reichte, trat ich bleich vor ihn hin und &#x017F;agte:<lb/>
»Wie i&#x017F;t's eigentlich mit Deiner Salamiwur&#x017F;t?<lb/>
mein&#x017F;t Du, die&#x017F;elbe &#x017F;ei hinreichend, dergleichen<lb/>
Sachen, wie ich be&#x017F;tehe, das Gegengewicht zu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0308] Kette und das Armband zu ihren Fuͤßen gelegt und den Ring an ihren Finger geſteckt!« »Bei Gott?« »Ja, bei Gott!« rief ich. »Nun mußt Du ihr aber noch eine Kußhand zuwerfen, und wenn Du es nicht thuſt, ſo haſt Du falſch ge¬ ſchworen; ſieh, ſie ſchaut gerade herunter!« Wirklich ruhten ihre glaͤnzenden frohen Augen auf uns; aber der Einfall meines Freundes war ein teufliſcher; denn lieber haͤtte ich dem Teufel ſelbſt in's Geſicht geſpieen, als dieſe Zumuthung erfuͤllt. Durch meinen jeſuitiſchen Schwur war ich aber erſt recht in die Klemme gerathen, es war kein Ausweg. Raſch kuͤßte ich meine Hand und bewegte ſie gegen das Fenſter hinauf. Das Maͤdchen hatte uns aufmerkſam angeſehen, und lachte nun ganz unbaͤndig, indem es freundlich herunter nickte; doch ich lief, ſo ſchnell ich konnte, davon. Das Maß war gefuͤllt, und als mein Gefaͤhrte mich in der naͤchſten Straße wieder er¬ reichte, trat ich bleich vor ihn hin und ſagte: »Wie iſt's eigentlich mit Deiner Salamiwurſt? meinſt Du, dieſelbe ſei hinreichend, dergleichen Sachen, wie ich beſtehe, das Gegengewicht zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/308
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/308>, abgerufen am 22.11.2024.