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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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halten? Damit warf ich ihn unversehens nieder
und schlug ihn mit der Faust in's Gesicht, bis
mich ein Mann weghob und rief: "Die Teufels¬
jungen müssen sich doch immer raufen!"

Das war das allererste Mal in meinem Le¬
ben, daß ich einen Schul- und Jugendgenossen
schlug; ich konnte denselben nicht mehr ansehen
und zugleich war ich vom Lügen für einmal
gründlich geheilt.

In dem lesebeflissenen Hause wurden indessen
der Vorrath an schlechten Büchern und die Thor¬
heit immer größer. Die Alten sahen mit selt¬
samer Freude zu, wie die armen Töchter immer
tiefer in ein einfältig verbuhltes Wesen hinein¬
geriethen, Liebhaber auf Liebhaber wechselten und
doch von Keinem heimgeführt wurden, so daß sie
mitten in der übelriechenden Bibliothek sitzen
blieben mit einer Heerde kleiner Kinder, welche
mit den zerlesenen Büchern spielten und dieselben
zerrissen. Die Lesewuth wuchs nichts destomin¬
der fortwährend, weil sie nun Zank, Noth und
Sorge vergessen ließ, so daß man in der Behau¬
sung nichts sah, als Bücher, aufgehängte Win¬

halten? Damit warf ich ihn unverſehens nieder
und ſchlug ihn mit der Fauſt in's Geſicht, bis
mich ein Mann weghob und rief: »Die Teufels¬
jungen muͤſſen ſich doch immer raufen!«

Das war das allererſte Mal in meinem Le¬
ben, daß ich einen Schul- und Jugendgenoſſen
ſchlug; ich konnte denſelben nicht mehr anſehen
und zugleich war ich vom Luͤgen fuͤr einmal
gruͤndlich geheilt.

In dem leſebefliſſenen Hauſe wurden indeſſen
der Vorrath an ſchlechten Buͤchern und die Thor¬
heit immer groͤßer. Die Alten ſahen mit ſelt¬
ſamer Freude zu, wie die armen Toͤchter immer
tiefer in ein einfaͤltig verbuhltes Weſen hinein¬
geriethen, Liebhaber auf Liebhaber wechſelten und
doch von Keinem heimgefuͤhrt wurden, ſo daß ſie
mitten in der uͤbelriechenden Bibliothek ſitzen
blieben mit einer Heerde kleiner Kinder, welche
mit den zerleſenen Buͤchern ſpielten und dieſelben
zerriſſen. Die Leſewuth wuchs nichts deſtomin¬
der fortwaͤhrend, weil ſie nun Zank, Noth und
Sorge vergeſſen ließ, ſo daß man in der Behau¬
ſung nichts ſah, als Buͤcher, aufgehaͤngte Win¬

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[295/0309] halten? Damit warf ich ihn unverſehens nieder und ſchlug ihn mit der Fauſt in's Geſicht, bis mich ein Mann weghob und rief: »Die Teufels¬ jungen muͤſſen ſich doch immer raufen!« Das war das allererſte Mal in meinem Le¬ ben, daß ich einen Schul- und Jugendgenoſſen ſchlug; ich konnte denſelben nicht mehr anſehen und zugleich war ich vom Luͤgen fuͤr einmal gruͤndlich geheilt. In dem leſebefliſſenen Hauſe wurden indeſſen der Vorrath an ſchlechten Buͤchern und die Thor¬ heit immer groͤßer. Die Alten ſahen mit ſelt¬ ſamer Freude zu, wie die armen Toͤchter immer tiefer in ein einfaͤltig verbuhltes Weſen hinein¬ geriethen, Liebhaber auf Liebhaber wechſelten und doch von Keinem heimgefuͤhrt wurden, ſo daß ſie mitten in der uͤbelriechenden Bibliothek ſitzen blieben mit einer Heerde kleiner Kinder, welche mit den zerleſenen Buͤchern ſpielten und dieſelben zerriſſen. Die Leſewuth wuchs nichts deſtomin¬ der fortwaͤhrend, weil ſie nun Zank, Noth und Sorge vergeſſen ließ, ſo daß man in der Behau¬ ſung nichts ſah, als Buͤcher, aufgehaͤngte Win¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/309>, abgerufen am 22.11.2024.