Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.und löste meine Qual und ich fühlte in diesem und loͤſte meine Qual und ich fuͤhlte in dieſem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0347" n="333"/> und loͤſte meine Qual und ich fuͤhlte in dieſem<lb/> Augenblicke eine unſaͤgliche Liebe zu ihr, welche<lb/> meine Zerknirſchung durchſtrahlte und faſt in einen<lb/> gluͤckſeligen Sieg verwandelte, waͤhrend meine<lb/> Mutter tief in ihrem Kummer und in ihrer<lb/> Strenge beharrte. Denn die Art meines Ver¬<lb/> gehens hatte ihre empfindlichſte Seite, ſo zu ſagen<lb/> ihren Lebensnerv getroffen: einestheils das kind¬<lb/> liche blinde Vertrauen ihrer religioͤſen Rechtlichkeit,<lb/> anderntheils ihre ebenſo religioͤſe Sparſamkeit und<lb/> unwandelbare Lebensfrage. Sie hatte keine Freude<lb/> beim Anblick des Geldes, nie uͤberſah ſie unnoͤ¬<lb/> thiger Weiſe ihre Barſchaft, aber jedes Gulden¬<lb/> ſtuͤck war ihr beinahe ein heiliges Symbolum des<lb/> Schickſals, wenn ſie es in die Hand nahm, um<lb/> es gegen Lebensbeduͤrfniſſe auszutauſchen. Des¬<lb/> nahen war ſie nun weit ſchwerer mit Sorge er¬<lb/> fuͤllt, als wenn ich irgend etwas Anderes began¬<lb/> gen haͤtte. Wie um ſich gewaltſam vom Gegen¬<lb/> theile zu uͤberzeugen, hielt ſie mir Alles deutlich<lb/> und gemeſſen vor und fragte dann wiederholt:<lb/> »Iſt es denn wirklich wahr? Geſtehe!« Worauf<lb/> ich ein kurzes Ja hervorbrachte und mich meinen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [333/0347]
und loͤſte meine Qual und ich fuͤhlte in dieſem
Augenblicke eine unſaͤgliche Liebe zu ihr, welche
meine Zerknirſchung durchſtrahlte und faſt in einen
gluͤckſeligen Sieg verwandelte, waͤhrend meine
Mutter tief in ihrem Kummer und in ihrer
Strenge beharrte. Denn die Art meines Ver¬
gehens hatte ihre empfindlichſte Seite, ſo zu ſagen
ihren Lebensnerv getroffen: einestheils das kind¬
liche blinde Vertrauen ihrer religioͤſen Rechtlichkeit,
anderntheils ihre ebenſo religioͤſe Sparſamkeit und
unwandelbare Lebensfrage. Sie hatte keine Freude
beim Anblick des Geldes, nie uͤberſah ſie unnoͤ¬
thiger Weiſe ihre Barſchaft, aber jedes Gulden¬
ſtuͤck war ihr beinahe ein heiliges Symbolum des
Schickſals, wenn ſie es in die Hand nahm, um
es gegen Lebensbeduͤrfniſſe auszutauſchen. Des¬
nahen war ſie nun weit ſchwerer mit Sorge er¬
fuͤllt, als wenn ich irgend etwas Anderes began¬
gen haͤtte. Wie um ſich gewaltſam vom Gegen¬
theile zu uͤberzeugen, hielt ſie mir Alles deutlich
und gemeſſen vor und fragte dann wiederholt:
»Iſt es denn wirklich wahr? Geſtehe!« Worauf
ich ein kurzes Ja hervorbrachte und mich meinen
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