Pinsel diese Täfelchen aushöhlen, sondern dieselben in Schalen mit Wasser anreiben müsse. Sie gaben reichliche, gesättigte Tinten, ich fing an, mit selben Versuche anzustellen und lernte sie mischen. Besonders entdeckte ich, daß gelb und blau das verschiedenste Grün herstellten, was mich sehr freute, daneben fand ich die violetten und braunen Töne. Ich hatte schon längst mit Ver¬ wunderung eine alte in Oel gemalte Landschaft betrachtet, welche an unserer Wand hing; es war ein Abend, der Himmel, besonders der unbegreif¬ liche Uebergang des Rothen in's Blaue, die Gleich¬ mäßigkeit und Sanftheit desselben reizte mich un¬ gemein, eben so sehr der Baumschlag, welcher mich unvergleichlich dünkte. Obgleich das Bild unter dem Mittelmäßigen steht, schien es mir ein bewundernswerthes Werk zu sein, denn ich sah die mir bekannte Natur um ihrer selbst willen mit einer gewissen Technik nachgeahmt. Stunden¬ lang stand ich auf einem Stuhle davor und ver¬ senkte den Blick in die anhaltlose Fläche des Him¬ mels und in das unendliche Blattgewirre der Bäume und es zeugte eben nicht von größter
Pinſel dieſe Taͤfelchen aushoͤhlen, ſondern dieſelben in Schalen mit Waſſer anreiben muͤſſe. Sie gaben reichliche, geſaͤttigte Tinten, ich fing an, mit ſelben Verſuche anzuſtellen und lernte ſie miſchen. Beſonders entdeckte ich, daß gelb und blau das verſchiedenſte Gruͤn herſtellten, was mich ſehr freute, daneben fand ich die violetten und braunen Toͤne. Ich hatte ſchon laͤngſt mit Ver¬ wunderung eine alte in Oel gemalte Landſchaft betrachtet, welche an unſerer Wand hing; es war ein Abend, der Himmel, beſonders der unbegreif¬ liche Uebergang des Rothen in's Blaue, die Gleich¬ maͤßigkeit und Sanftheit deſſelben reizte mich un¬ gemein, eben ſo ſehr der Baumſchlag, welcher mich unvergleichlich duͤnkte. Obgleich das Bild unter dem Mittelmaͤßigen ſteht, ſchien es mir ein bewundernswerthes Werk zu ſein, denn ich ſah die mir bekannte Natur um ihrer ſelbſt willen mit einer gewiſſen Technik nachgeahmt. Stunden¬ lang ſtand ich auf einem Stuhle davor und ver¬ ſenkte den Blick in die anhaltloſe Flaͤche des Him¬ mels und in das unendliche Blattgewirre der Baͤume und es zeugte eben nicht von groͤßter
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Pinſel dieſe Taͤfelchen aushoͤhlen, ſondern dieſelben
in Schalen mit Waſſer anreiben muͤſſe. Sie
gaben reichliche, geſaͤttigte Tinten, ich fing an,
mit ſelben Verſuche anzuſtellen und lernte ſie
miſchen. Beſonders entdeckte ich, daß gelb und
blau das verſchiedenſte Gruͤn herſtellten, was mich
ſehr freute, daneben fand ich die violetten und
braunen Toͤne. Ich hatte ſchon laͤngſt mit Ver¬
wunderung eine alte in Oel gemalte Landſchaft
betrachtet, welche an unſerer Wand hing; es war
ein Abend, der Himmel, beſonders der unbegreif¬
liche Uebergang des Rothen in's Blaue, die Gleich¬
maͤßigkeit und Sanftheit deſſelben reizte mich un¬
gemein, eben ſo ſehr der Baumſchlag, welcher
mich unvergleichlich duͤnkte. Obgleich das Bild
unter dem Mittelmaͤßigen ſteht, ſchien es mir ein
bewundernswerthes Werk zu ſein, denn ich ſah
die mir bekannte Natur um ihrer ſelbſt willen
mit einer gewiſſen Technik nachgeahmt. Stunden¬
lang ſtand ich auf einem Stuhle davor und ver¬
ſenkte den Blick in die anhaltloſe Flaͤche des Him¬
mels und in das unendliche Blattgewirre der
Baͤume und es zeugte eben nicht von groͤßter
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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