meiner Kameraden nicht, sondern ging gedanken¬ los vorwärts, ruhig und melancholisch meine Schüsse abgebend und mein Gewehr wieder la¬ dend. Bald hatte ich mich von den Uebrigen verloren und befand mich mitten am Abhange einer wilden, mir unbekannten Schlucht, in deren Tiefe ein Bächlein rieselte und die mit altem Tan¬ nenwalde erfüllt war. Der Himmel hatte sich be¬ deckt, es ruhte eine düstere und doch weiche Stim¬ mung auf der Landschaft, das Schießen und Trommeln aus der Ferne hob noch die tiefe Stille der unmittelbaren Nähe, ich stand still und lehnte mich ausruhend auf das Gewehr, in¬ dem ich einer halb weinerlichen, halb trotzigen Laune anheimfiel, welche mich öfter beschlichen hat gegenüber der großen Natur und welche der Bedrängten Frage nach Glück ist. Da hörte ich Schritte in der Nähe und auf dem schmalen Felspfade, in der tiefen Einsamkeit, kam mein Feind daher, das Herz klopfte mir heftig, er sah mich stechend an und sandte mir gleich darauf einen Schuß entgegen, so nah, daß mir einige Pulverkörner in's Gesicht fuhren. Ich stand un¬
meiner Kameraden nicht, ſondern ging gedanken¬ los vorwaͤrts, ruhig und melancholiſch meine Schuͤſſe abgebend und mein Gewehr wieder la¬ dend. Bald hatte ich mich von den Uebrigen verloren und befand mich mitten am Abhange einer wilden, mir unbekannten Schlucht, in deren Tiefe ein Baͤchlein rieſelte und die mit altem Tan¬ nenwalde erfuͤllt war. Der Himmel hatte ſich be¬ deckt, es ruhte eine duͤſtere und doch weiche Stim¬ mung auf der Landſchaft, das Schießen und Trommeln aus der Ferne hob noch die tiefe Stille der unmittelbaren Naͤhe, ich ſtand ſtill und lehnte mich ausruhend auf das Gewehr, in¬ dem ich einer halb weinerlichen, halb trotzigen Laune anheimfiel, welche mich oͤfter beſchlichen hat gegenuͤber der großen Natur und welche der Bedraͤngten Frage nach Gluͤck iſt. Da hoͤrte ich Schritte in der Naͤhe und auf dem ſchmalen Felspfade, in der tiefen Einſamkeit, kam mein Feind daher, das Herz klopfte mir heftig, er ſah mich ſtechend an und ſandte mir gleich darauf einen Schuß entgegen, ſo nah, daß mir einige Pulverkoͤrner in's Geſicht fuhren. Ich ſtand un¬
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meiner Kameraden nicht, ſondern ging gedanken¬
los vorwaͤrts, ruhig und melancholiſch meine
Schuͤſſe abgebend und mein Gewehr wieder la¬
dend. Bald hatte ich mich von den Uebrigen
verloren und befand mich mitten am Abhange
einer wilden, mir unbekannten Schlucht, in deren
Tiefe ein Baͤchlein rieſelte und die mit altem Tan¬
nenwalde erfuͤllt war. Der Himmel hatte ſich be¬
deckt, es ruhte eine duͤſtere und doch weiche Stim¬
mung auf der Landſchaft, das Schießen und
Trommeln aus der Ferne hob noch die tiefe
Stille der unmittelbaren Naͤhe, ich ſtand ſtill
und lehnte mich ausruhend auf das Gewehr, in¬
dem ich einer halb weinerlichen, halb trotzigen
Laune anheimfiel, welche mich oͤfter beſchlichen
hat gegenuͤber der großen Natur und welche der
Bedraͤngten Frage nach Gluͤck iſt. Da hoͤrte ich
Schritte in der Naͤhe und auf dem ſchmalen
Felspfade, in der tiefen Einſamkeit, kam mein
Feind daher, das Herz klopfte mir heftig, er ſah
mich ſtechend an und ſandte mir gleich darauf
einen Schuß entgegen, ſo nah, daß mir einige
Pulverkoͤrner in's Geſicht fuhren. Ich ſtand un¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/360>, abgerufen am 22.11.2024.
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