beweglich und starrte ihn an; hastig lud er sein Gewehr wieder, ich sah ihm immer zu, dies ver¬ wirrte ihn und machte ihn wüthend, und in un¬ säglicher Verblendung der Gescheidtheit, der ver¬ meintlichen Dummheit und Gutmüthigkeit mitten in's Gesicht zu schießen, wollte er in dichter Nähe eben wieder anlegen, als ich, meine Waffe weg¬ werfend, auf ihn losfuhr und ihm die seinige entwand. Sogleich waren wir in einander ver¬ schlungen und nun rangen wir eine volle halbe Stunde mit einander, stumm und erbittert, mit abwechselndem Glücke. Er war behend, wie eine Katze, wandte hundert Mittel an, um mich zu Falle zu bringen, stellte mir das Bein, drückte mich mit dem Daum hinter den Ohren, schlug mir an die Schläfe und biß mich in die Hand und ich wäre zehnmal unterlegen, wenn mich nicht eine stille Wuth beseelt hätte, daß ich aushielt. Mit tödtlicher Ruhe klammerte ich mich an ihn, schlug ihm gelegentlich die Faust in's Gesicht, Thränen in den Augen und empfand dabei ein wildes Weh, welches ich sicher bin, niemals tiefer zu empfinden, ich mag noch so alt werden und
beweglich und ſtarrte ihn an; haſtig lud er ſein Gewehr wieder, ich ſah ihm immer zu, dies ver¬ wirrte ihn und machte ihn wuͤthend, und in un¬ ſaͤglicher Verblendung der Geſcheidtheit, der ver¬ meintlichen Dummheit und Gutmuͤthigkeit mitten in's Geſicht zu ſchießen, wollte er in dichter Naͤhe eben wieder anlegen, als ich, meine Waffe weg¬ werfend, auf ihn losfuhr und ihm die ſeinige entwand. Sogleich waren wir in einander ver¬ ſchlungen und nun rangen wir eine volle halbe Stunde mit einander, ſtumm und erbittert, mit abwechſelndem Gluͤcke. Er war behend, wie eine Katze, wandte hundert Mittel an, um mich zu Falle zu bringen, ſtellte mir das Bein, druͤckte mich mit dem Daum hinter den Ohren, ſchlug mir an die Schlaͤfe und biß mich in die Hand und ich waͤre zehnmal unterlegen, wenn mich nicht eine ſtille Wuth beſeelt haͤtte, daß ich aushielt. Mit toͤdtlicher Ruhe klammerte ich mich an ihn, ſchlug ihm gelegentlich die Fauſt in's Geſicht, Thraͤnen in den Augen und empfand dabei ein wildes Weh, welches ich ſicher bin, niemals tiefer zu empfinden, ich mag noch ſo alt werden und
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beweglich und ſtarrte ihn an; haſtig lud er ſein
Gewehr wieder, ich ſah ihm immer zu, dies ver¬
wirrte ihn und machte ihn wuͤthend, und in un¬
ſaͤglicher Verblendung der Geſcheidtheit, der ver¬
meintlichen Dummheit und Gutmuͤthigkeit mitten
in's Geſicht zu ſchießen, wollte er in dichter Naͤhe
eben wieder anlegen, als ich, meine Waffe weg¬
werfend, auf ihn losfuhr und ihm die ſeinige
entwand. Sogleich waren wir in einander ver¬
ſchlungen und nun rangen wir eine volle halbe
Stunde mit einander, ſtumm und erbittert, mit
abwechſelndem Gluͤcke. Er war behend, wie eine
Katze, wandte hundert Mittel an, um mich zu
Falle zu bringen, ſtellte mir das Bein, druͤckte
mich mit dem Daum hinter den Ohren, ſchlug
mir an die Schlaͤfe und biß mich in die Hand
und ich waͤre zehnmal unterlegen, wenn mich nicht
eine ſtille Wuth beſeelt haͤtte, daß ich aushielt.
Mit toͤdtlicher Ruhe klammerte ich mich an ihn,
ſchlug ihm gelegentlich die Fauſt in's Geſicht,
Thraͤnen in den Augen und empfand dabei ein
wildes Weh, welches ich ſicher bin, niemals tiefer
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/361>, abgerufen am 22.11.2024.
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