als ob dies Unkraut nur da wäre, um auch das zu beeinträchtigen und zu schmälern, was man wirklich versteht und gerne lernt. Es sind viel¬ leicht nicht die schlechteren Gewächse der Schule, welche für das, dessen Zweck sie einstweilen nicht einsehen, böswilligst keinen Sinn zeigen und be¬ harrlich darin nichts thun, und es fragt sich, ob manche Lehre nicht erst dann begonnen werden sollte, auch in ihren Anfängen, wenn man im Stande ist, den großen und erhabenen Endzweck klar und eindringlich zu machen. Die meisten Schulmänner haben ihr Leben lang Nichts ge¬ trieben, als das Fach, in welchem sie vierzehnjäh¬ rige Knaben unterweisen sollen. Von frühster Jugend an haben sie besondere Neigung dafür gezeigt, dann studirten sie, hörten das gleiche Thema drei, vier Mal bei verschiedenen Lehrern, reis'ten und hörten es wieder, lasen nichts An¬ deres, als was davon handelte, und nun treten sie vor die Jugend und verlangen von ihr, daß sie aus einigen trockenen, grämlichen Einleitungs¬ worten die ganze Einsicht und Begeisterung für eine lange Reihe von Unterrichtsstunden schöpfe,
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als ob dies Unkraut nur da waͤre, um auch das zu beeintraͤchtigen und zu ſchmaͤlern, was man wirklich verſteht und gerne lernt. Es ſind viel¬ leicht nicht die ſchlechteren Gewaͤchſe der Schule, welche fuͤr das, deſſen Zweck ſie einſtweilen nicht einſehen, boͤswilligſt keinen Sinn zeigen und be¬ harrlich darin nichts thun, und es fragt ſich, ob manche Lehre nicht erſt dann begonnen werden ſollte, auch in ihren Anfaͤngen, wenn man im Stande iſt, den großen und erhabenen Endzweck klar und eindringlich zu machen. Die meiſten Schulmaͤnner haben ihr Leben lang Nichts ge¬ trieben, als das Fach, in welchem ſie vierzehnjaͤh¬ rige Knaben unterweiſen ſollen. Von fruͤhſter Jugend an haben ſie beſondere Neigung dafuͤr gezeigt, dann ſtudirten ſie, hoͤrten das gleiche Thema drei, vier Mal bei verſchiedenen Lehrern, reiſ'ten und hoͤrten es wieder, laſen nichts An¬ deres, als was davon handelte, und nun treten ſie vor die Jugend und verlangen von ihr, daß ſie aus einigen trockenen, graͤmlichen Einleitungs¬ worten die ganze Einſicht und Begeiſterung fuͤr eine lange Reihe von Unterrichtsſtunden ſchoͤpfe,
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als ob dies Unkraut nur da waͤre, um auch das
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wirklich verſteht und gerne lernt. Es ſind viel¬
leicht nicht die ſchlechteren Gewaͤchſe der Schule,
welche fuͤr das, deſſen Zweck ſie einſtweilen nicht
einſehen, boͤswilligſt keinen Sinn zeigen und be¬
harrlich darin nichts thun, und es fragt ſich, ob
manche Lehre nicht erſt dann begonnen werden
ſollte, auch in ihren Anfaͤngen, wenn man im
Stande iſt, den großen und erhabenen Endzweck
klar und eindringlich zu machen. Die meiſten
Schulmaͤnner haben ihr Leben lang Nichts ge¬
trieben, als das Fach, in welchem ſie vierzehnjaͤh¬
rige Knaben unterweiſen ſollen. Von fruͤhſter
Jugend an haben ſie beſondere Neigung dafuͤr
gezeigt, dann ſtudirten ſie, hoͤrten das gleiche
Thema drei, vier Mal bei verſchiedenen Lehrern,
reiſ'ten und hoͤrten es wieder, laſen nichts An¬
deres, als was davon handelte, und nun treten
ſie vor die Jugend und verlangen von ihr, daß
ſie aus einigen trockenen, graͤmlichen Einleitungs¬
worten die ganze Einſicht und Begeiſterung fuͤr
eine lange Reihe von Unterrichtsſtunden ſchoͤpfe,
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/375>, abgerufen am 22.11.2024.
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