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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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der stillen Einschränkung und Entsagung vergan¬
gener Jahrhunderte, wo besonders die Frauen,
wenn sie einmal durch einige Meilen getrennt
waren, einander nicht wieder, oder nur bei sel¬
tenen, hochwichtigen Ereignissen sahen, bei wel¬
chen es alsdann wahrhaft episch herging und
Thränen der Rührung und schmerzlicher oder
froher Erinnerung ihren Augen entflossen, wäh¬
rend die Männer wohl sich vom Orte bewegten,
aber in ernstem Geschäftssinne an den Thüren
halbverschollener Verwandter vorübergingen, wenn
sie keinen Rath zu bringen oder zu holen hatten.
Jetzt ist das Volk wieder lebendiger geworden;
durch die erleichterten Verkehrsmittel, durch das
wieder erstandene öffentliche Leben und zahlreiche
Volksfeste veranlaßt, bewegt es sich fröhlich von
der Stelle und macht damit zugleich seinen Geist
wieder jung und fruchtbar, und nur beschränkte
Eiferer predigen noch gegen die festliche Wander¬
lust Derer, die den Pflug führen, und ihrer Kinder.

Meine Mutter befahl mir, insbesondere der
einsamen überlebenden Großmutter so viele Zeit
als möglich zu widmen und in Ehrerbietung und

der ſtillen Einſchraͤnkung und Entſagung vergan¬
gener Jahrhunderte, wo beſonders die Frauen,
wenn ſie einmal durch einige Meilen getrennt
waren, einander nicht wieder, oder nur bei ſel¬
tenen, hochwichtigen Ereigniſſen ſahen, bei wel¬
chen es alsdann wahrhaft epiſch herging und
Thraͤnen der Ruͤhrung und ſchmerzlicher oder
froher Erinnerung ihren Augen entfloſſen, waͤh¬
rend die Maͤnner wohl ſich vom Orte bewegten,
aber in ernſtem Geſchaͤftsſinne an den Thuͤren
halbverſchollener Verwandter voruͤbergingen, wenn
ſie keinen Rath zu bringen oder zu holen hatten.
Jetzt iſt das Volk wieder lebendiger geworden;
durch die erleichterten Verkehrsmittel, durch das
wieder erſtandene oͤffentliche Leben und zahlreiche
Volksfeſte veranlaßt, bewegt es ſich froͤhlich von
der Stelle und macht damit zugleich ſeinen Geiſt
wieder jung und fruchtbar, und nur beſchraͤnkte
Eiferer predigen noch gegen die feſtliche Wander¬
luſt Derer, die den Pflug fuͤhren, und ihrer Kinder.

Meine Mutter befahl mir, insbeſondere der
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[392/0406] der ſtillen Einſchraͤnkung und Entſagung vergan¬ gener Jahrhunderte, wo beſonders die Frauen, wenn ſie einmal durch einige Meilen getrennt waren, einander nicht wieder, oder nur bei ſel¬ tenen, hochwichtigen Ereigniſſen ſahen, bei wel¬ chen es alsdann wahrhaft epiſch herging und Thraͤnen der Ruͤhrung und ſchmerzlicher oder froher Erinnerung ihren Augen entfloſſen, waͤh¬ rend die Maͤnner wohl ſich vom Orte bewegten, aber in ernſtem Geſchaͤftsſinne an den Thuͤren halbverſchollener Verwandter voruͤbergingen, wenn ſie keinen Rath zu bringen oder zu holen hatten. Jetzt iſt das Volk wieder lebendiger geworden; durch die erleichterten Verkehrsmittel, durch das wieder erſtandene oͤffentliche Leben und zahlreiche Volksfeſte veranlaßt, bewegt es ſich froͤhlich von der Stelle und macht damit zugleich ſeinen Geiſt wieder jung und fruchtbar, und nur beſchraͤnkte Eiferer predigen noch gegen die feſtliche Wander¬ luſt Derer, die den Pflug fuͤhren, und ihrer Kinder. Meine Mutter befahl mir, insbeſondere der einſamen uͤberlebenden Großmutter ſo viele Zeit als moͤglich zu widmen und in Ehrerbietung und

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/406>, abgerufen am 21.11.2024.