gönnt, dem Zuge seines Herzens zu folgen. In¬ dem er als einziges Kind bei seiner vorsichtigen und haushälterischen Mutter lebte, welche, wäh¬ rend er seinen Träumen nachhing, ihm so zu sa¬ gen den Löffel in die Hand gab, geschah es sel¬ ten, daß er mit etwelcher Münze versehen und wenn er es war, so brannte sie ihm in der Hand, bis er sie ausgegeben hatte. So kam es, daß ihn immer ein Schrecken überfiel, sobald er von fern einen Bettler ahnte und ihm auszuweichen suchte. Konnte dies nicht geschehen, so ging er rasch abweisend vorbei, und wenn der Bettler nachlief, hüllte er seine Verlegenheit in einen rauhen, unwilligen Ton, wobei aber sein weißes Gesicht eine flammende Röthe überlief. Er konnte so rechte Unglückstage haben, wo er viele und verschiedenste arme Teufel antraf, ohne einem Einzigen etwas geben zu können und er mußte fortwährend ein böses Gesicht machen; denn als er einst ganz gemüthlich und vertraulich einem großen Schlingel gesagt hatte, er besäße selbst kein Geld, forderte ihn dieser höhnisch auf, mit ihm betteln zu gehen. In allem diesen lag nun
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goͤnnt, dem Zuge ſeines Herzens zu folgen. In¬ dem er als einziges Kind bei ſeiner vorſichtigen und haushaͤlteriſchen Mutter lebte, welche, waͤh¬ rend er ſeinen Traͤumen nachhing, ihm ſo zu ſa¬ gen den Loͤffel in die Hand gab, geſchah es ſel¬ ten, daß er mit etwelcher Muͤnze verſehen und wenn er es war, ſo brannte ſie ihm in der Hand, bis er ſie ausgegeben hatte. So kam es, daß ihn immer ein Schrecken uͤberfiel, ſobald er von fern einen Bettler ahnte und ihm auszuweichen ſuchte. Konnte dies nicht geſchehen, ſo ging er raſch abweiſend vorbei, und wenn der Bettler nachlief, huͤllte er ſeine Verlegenheit in einen rauhen, unwilligen Ton, wobei aber ſein weißes Geſicht eine flammende Roͤthe uͤberlief. Er konnte ſo rechte Ungluͤckstage haben, wo er viele und verſchiedenſte arme Teufel antraf, ohne einem Einzigen etwas geben zu koͤnnen und er mußte fortwaͤhrend ein boͤſes Geſicht machen; denn als er einſt ganz gemuͤthlich und vertraulich einem großen Schlingel geſagt hatte, er beſaͤße ſelbſt kein Geld, forderte ihn dieſer hoͤhniſch auf, mit ihm betteln zu gehen. In allem dieſen lag nun
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goͤnnt, dem Zuge ſeines Herzens zu folgen. In¬
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rend er ſeinen Traͤumen nachhing, ihm ſo zu ſa¬
gen den Loͤffel in die Hand gab, geſchah es ſel¬
ten, daß er mit etwelcher Muͤnze verſehen und
wenn er es war, ſo brannte ſie ihm in der Hand,
bis er ſie ausgegeben hatte. So kam es, daß
ihn immer ein Schrecken uͤberfiel, ſobald er von
fern einen Bettler ahnte und ihm auszuweichen
ſuchte. Konnte dies nicht geſchehen, ſo ging er
raſch abweiſend vorbei, und wenn der Bettler
nachlief, huͤllte er ſeine Verlegenheit in einen
rauhen, unwilligen Ton, wobei aber ſein weißes
Geſicht eine flammende Roͤthe uͤberlief. Er konnte
ſo rechte Ungluͤckstage haben, wo er viele und
verſchiedenſte arme Teufel antraf, ohne einem
Einzigen etwas geben zu koͤnnen und er mußte
fortwaͤhrend ein boͤſes Geſicht machen; denn als
er einſt ganz gemuͤthlich und vertraulich einem
großen Schlingel geſagt hatte, er beſaͤße ſelbſt
kein Geld, forderte ihn dieſer hoͤhniſch auf, mit
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/47>, abgerufen am 21.11.2024.
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